Unangepaßter Gastro-Schaum – Relaunch

Gestern wurde angesichts eines Haufens von Pfifferlingen mit Ei und Trüffeln von der besten aller Frauen die Frage gestellt, ob man nicht mal wieder ein Champagnerchen aufmachen könnte. Es wurde dann eine weitere Flasche des

oJ [Cuvée] – Les Artisans – Léon & Lucien – Blanc de Noirs – brut – Champagne [AOP], A·R Lenoble, Champagne

geöffnet, wobei ich nicht weiß, ob diese Flasche -die ich über ein Jahr nach dem Erwerb der ersten gekauft habe- aus der gleichen oder einer anderen Charge stammt, da auf den Etiketten oder sonstwo leider keinerlei Losnummer etc. aufgedruckt ist, welche eine Unterscheidung möglich machen würde. Also mal sehen, ob sich signifikante Unterschiede ergeben:

Im Glas ein mittleres Messing, eher verhaltene Perlage, hält aber gut durch. Riecht recht säurefrisch nach Backapfel und Johannisbeeren im Nußhörnchen, am Gaumen haben dann aber weiße Johannisbeeren die Nase vorn, ein paar rote spielen auch mit, der Backapfel spielt allenfalls die dritte Geige; das Hörnchen ist hier unbenußt, die Säure ist irgendwie knackig und charmant zugleich, dazu frisch gelöschter Kalk. Der ziemlich lange Abgang ist deutlich frischer, als man von „brut“ erwarten würde, der nicht geringe Extrakt schleppt keinerlei freien Zucker mit und die Säure wirkt auch sehr belebend.

Dieser Basis-Schampus, der mit gerade mal 24 Euronen günstiger als die meisten LEH-Plörren der „Grandes Marques“ ist, steckt diese m.E. locker in die Tasche; selbst vor manchen Winzerchampagnern der 50 Euronen-Klasse muß sich dieses Blubberwasser nicht verstecken. Ist zwar nicht mit allzu außergewöhnlichen Attributen gesegnet, hat die Aufgabenstellung „Champagner“ aber sehr schön und klar wiedererkennbar, jedoch nicht plakativ gelöst; ist von seiner Struktur her auch ohne Fehl und Tadel und trotz seiner Gastro-Ausrichtung keineswegs belanglos bzw. mainstreamig. Ob gleiche oder andere Charge vermag ich nicht zu sagen, in jedem Fall ein Schäumer, der multiples Nachkaufen quasi fordert…

Meine Wertung: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 21 von 25

Nachfolgend der Text der Verkostung vom 14. August 2019:

Einer meiner bevorzugten Weinhändler hatte bei einer seiner Verkostungen auch mal einen Champagner präsentiert, den er als „Gastro-Budget-Linie“ von AR Lenoble beschrieb und eine Cuvée aus Pinot noir (Bisseuil Prémier cru) und Pinot Meunier (Damery) ist. Hat mir in der Verkostung außerordentlich gut gefallen, gestern hab‘ ich dann zum Zanderfilet mal ein Fläschchen geköpft:

oJ [Cuvée] – Les Artisans – Léon & Lucien – Blanc de Noirs – brut – Champagne [AOP], A·R Lenoble, Champagne

Die Farbe ist strahlendes Bronze- bis Goldgelb, recht feines und sehr beständiges Mousseux. Riecht äußerst frisch nach mürben Backäpfeln (Gravensteiner) und deutlich, aber doch distinguiert Brioche, wobei die schönen angekündigte Säure(n) für die Frische verantwortlich sind; irgendwann gibt’s auch einen Hauch von Paraffin. Am Gaumen auch nach dem x-ten Glas feinperlig, die gelben Äpfel wirken sehr frisch und werden von etwas Zitronenschale sowie weißer Johannisbeere begleitet; das Ganze wird von einem vornehm zurückhaltenden Hefe-Kalk-Gemisch umschmeichelt, das sich mit Luft etwas intensiviert. Der Nachhall zieht sich über deutlich mehr als eine Minute hin, ist dabei herb-fruchtig mit schön austarierter Hefeteig-Präsenz und bietet im Finale einerseits frische, aber auch stark reduzierte Kernobstaromen.

Dafür, daß das hier ja ein relativ günstiger Champagner für Gastro-Zwecke ist bzw. sein soll, wird hier enorm viel geboten; vor allem biedert sich der Schäumer mit seiner knochentrockenen Stilistik, an der kein Gramm Fett bzw. Zucker zu viel dran ist, in keiner Weise dem Mehrheitsgeschmack an, der -zumindest meiner Wahrnehmung nach- auch im brut-Bereich immer einiges an „dienender“ Restsüße mitschleppt. Macht richtig viel Spaß!

Meine Wertung: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 21 von 25

2 comments on “Unangepaßter Gastro-Schaum – Relaunch

  1. Gerade sitzen wir vor dem Sprudler, den meine Frau letzte Woche von einer Außendienstfahrt ins Münchner Umland mitgebracht hat. In der Tat ein super Preisleistungsverhältnis. Um die großen Häusern werde ich jetzt jedenfalls einen Bogen machen!

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    • Von den „Grandes Marques“ gibt’s natürlich auch sehr betörende Getränke, in der Regel sind das aber nicht die, die man für ca. 25 bis 35 EUR/Fl. außerhalb des Fachhandels bekommt. Was wirklich in meinem Sinne Brauchbares hab ich da für unter 80 Euronen noch nicht getrunken. Deshalb gab’s bei mir in den letzten Jahren eigentlich ausschließlich Winzerchampagner, zumindest soweit ich ihn selber gekauft habe…

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