Vom Spätburgunder zum Pinot noir – Relaunch incl. Nachträgen

Schon an diesem Montag habe ich nach gut eineinhalb Jahren eine weitere Flasche des

2015er Pinot noir – [Guntersblum] – vom Löss – trocken – Qw, Lisa Bunn, Rheinhessen

aufgemacht, der sich bei der letzten Begegnung als erstaunlich wandlungsfähig erwiesen hat. Dementsprechend gespannt war ich, was da nunmehr aus der Flasche kommen würde:

Farblich ein relativ dunkles Kirschrot mit mittlerer Transparenz. Riecht vom Fleck weg nach Wald und Trüffeln sowie Waldfruchtkompott, später auch nach Pfifferlingen. Am Gaumen kommen noch Tabak und Leder dazu, die Frucht tritt deutlich zurück, spielt aber noch mit; die Säure ist frisch und elegant zugleich, untendrunter eine warme, erdige Mineralik. Der sehr lange Abgang ist ebenfalls in erster Linie braunwürzig auf die eher feine Art.

Während dieser Wein beim letzten mal erst zwei Tage Anlauf bis zur Ernsthaftigkeit brauchte, ist diese nun von der ersten Sekunde an voll da. Das Bukett wird mit Luft langsam wärmer, am Gaumen entwickeln sich dagegen auch ein paar kühle Noten, fast ein paar Kanten. Ist nun richtig schön, kein bißchen mehr deutsch, aber auch nicht richtig französisch anmutend, irgendwo in der Mitte…

Meine Wertung am ersten Tag: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 20 von 25

1. Nachtrag nach 24 Stunden mit Luft: der Wald ist nun noch größer, weicher, wärmer, Frucht gibt’s nur noch als gut stützende Unterlage. Auch am Gaumen runder ohne dabei an Spannung zu verlieren, der Wald ist dabei alles andere als eine Monokultur und geht recht verschwenderisch mit seiner Aromenvielfalt um; dampft richtig wie an einem sonnigen Herbstmorgen nach nächtlichem Regen. Der Abgang hat sich zum Mehrminüter entwickelt; nun einfach großartig!

Meine Wertung am zweiten Tag: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 22 von 25

2. Nachtrag nach 48 Stunden mit Luft: in der Nase nun auf einmal deutliche Kirsche, nicht plakativ, aber doch etwas deplaziert im Wald, dazu ein bißchen UHU. Am Gaumen ebenfalls eine leichte Eindeutschung, jedoch noch im angenehmen Rahmen. Auch der weiterhin lange Abgang folgt dieser Entwicklung.

Meine Wertung am dritten Tag: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 18 von 25

Der PN hat jetzt zwar ein bißchen Auf und Ab hinter sich, aber am zweiten Tag präsentierte er sich schlicht phänomenal und stellt aus meiner Sicht nun nicht wenige Burgunder in der (mir bekannten) Preisklasse bis 75 Euronen locker in den Schatten. Angesichts des Preises von regulär 9,50 Euronen (bzw. knapp 5 EUR effektiver Monatskistenpreis) ist der „Absturz“ am dritten Tag aber absolut verzeihlich. Hoffentlich entwickeln sich andere Jahrgänge auch so außergewöhnlich!

Nachfolgend der Text der Verkostung vom 30. November 2018:

Aus den kürzlich erworbenen Lisa Bunn-Monatspaketen kam am Freitag nun der

2015er Pinot noir – [Guntersblum] – vom Löss – trocken – Qw, Lisa Bunn, Rheinhessen

dran. Eine gewisse Vorinformation hatte ich ja schon durch einige Eindrücke von Forumsmitgliedern beim Weinforum, jetzt also mein Senf dazu:

Die Farbe ist ein dunkleres Blutrot mit mittlerer Transparenz, die Nase wird mit Süßkirschen und Walderdbeeren bedacht, am Gaumen ebenfalls Süßkirschen, jedoch mit ein paar herben Gerbstoffen gepudert; dazu wieder etwas Erdbeere und ein paar schwarze Johannisbeeren, eine anfänglich leichte Kitschigkeit verfliegt recht schnell. Die Säure ist ordentlich und transportiert ein leichtes Pampelmusenbitterchen. Der Lößboden macht sich durchaus mit einer gewissen Dichte bemerkbar, zieht den Wein aber nicht wesentlich auf die behäbige Seite. Der Nachhall hallt ordentlich lang, die Frucht wird hier nochmals repetiert, die Gerbstoffe nebst Bitterchen sind in schöner Balance und Säure sorgt auch hier für Frische.

Dieser „Pinot noir“ ist aus meiner Sicht sehr klar ein deutscher Spätburgunder. Da will es schon was heißen, daß ich mit dem überhaupt was anfangen kann. Es hat zwar ein paar Minuten gedauert, bis die beerige Anfangsplakativität überwunden war, aber dann hat man -solange man ca. 16 ºC nicht überschreitet- einen durchaus saftigen, frischen und durch die Mineralik auch nicht beliebigen Spätburgunder im Glas. Vor allem in Anbetracht des Preises super gemacht, dennoch nicht unbedingt mein persönlich präferierter PN-Stil.

Meine Wertung am ersten Tag: Nachkauf 1 von 3, Gesamt 17 von 25

Nachtrag nach 48 Stunden mit Luft: in der Nase jetzt deutlich sauerkirschiger plus schwarze Joh-Beere, dazu etwas weißer Rauch und Beifuß, die sonstigen Beeren haben sich komplett getrollt. Am Gaumen nun eine sehr geschmeidige, leicht begerbstoffte Kirschfrucht, auch hier nun komplett Erd- und Himbeer-befreit. Dazu eine nicht überbordende, aber doch prägnante Holznote in Form von Buchenstaub und ansatzweise Bitumen, die Säure ist sehr schön vermittelnd. Der Abgang ist recht lang, leicht angeholzte Kirsche mit Pampelmusenbitterchen und animierender Säure.

So lasse ich mir das schon eher eingehen, das ist jetzt eigentlich ein ganz anderer Wein als vor zwei Tagen, die Etikettierung als „Pinot noir“ ist nun tatsächlich angebracht. Vor allem vor dem Hintergrund des aufgerufenen Preises von regulär < 10 Euronen nun ein beachtlicher PN, da habe ich für 25 EUR+ schon deutlich schlechtere Sachen im Glas gehabt. Man muß ihm nach dem Öffnen nur genügend Zeit gönnen…

Meine Wertung am dritten Tag: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 20 von 25

2 comments on “Vom Spätburgunder zum Pinot noir – Relaunch incl. Nachträgen

  1. Ich beobachte auch des öfteren, dass deutsche Spätburgunder (und manchmal auch Österreicher) ordentlich Luft benötigen, damit sie richtig Spaß machen. Das mag auch daran liegen, dass ich noch einen recht begrenzte Jahrgangstiefe immer Keller habe, d.h. Meine Burgunder in der Regel noch recht jung sind.

    Like

    • Insbesondere jüngere Burgunder können mit ordentlich Luft schon signifikant gewinnen. Eine so deutliche Änderung in der grundsätzlichen Stilistik ist mir aber auch noch nicht untergekommen…

      Like

Hinterlasse einen Kommentar