Aus Äpfeln werden Trauben

Wenn ich sagen sollte, was für mich die interessanteste Wein(guts)entdeckung der letzten Zeit war, steht das Gut der Seckinger-Brüder sicher ganz oben in der Liste der nominierten Betriebe. Allerdings sind die Weine teils schon recht polarisierend, da sie mehr oder weniger stark in Richtung Naturwein schauen, was -für mich völlig unverständlich 😉 – nicht jedermanns Sache ist. So wunderte ich mich auch nicht, als ein Basis-Riesling der Seckingers neulich im Weinforum bei einem Foristen mehr oder weniger durchfiel; mich hat das animiert, mir zeitnah meine eigene Meinung dazu zu bilden:

2021er Riesling – „vom Löss“ – [trocken] – Pfälzer Landwein, Seckinger, Pfalz

Farblich ein etwas dunkleres Goldgelb, riecht recht apfelweinig mit deutlichen Bratapfelanklängen, dabei aber nicht mostig, dann noch ein paar kräuterige Beigaben aus der Beifußecke. Am Gaumen dann trotz der gerade mal 11,5 Volt ultratrocken wirkend, ziemlich kühl-herb-karge Mineralik aus dem Zementbereich, hier kaum Frucht, sogar der Backapfel zeigt sich eher verschämt, dafür ein bißchen trockenes Karamell sowie Salze aus der Magnesiumschublade (Magnesiumoxid blitzt als uralte Assoziation auf, ich muß direkt mal schauen, ob ich noch was davon zur Bestätigung habe…), die Säure ist sehr klar und straff, dabei relativ neutral, fast klinisch. Auch der ordentlich lange Abgang setzt in erster Linie auf die o.a. kühl-kantige Mineralik, das was an Apfel hier übriggeblieben ist, wirkt deutlich grüner als am Gaumen.

Das wäre ein super Pirat in einer blinden Weinrunde mit knalltrockenen Apfelweinen; als Riesling kann man das wohl niemand ernsthaft verkaufen und die aktuelle Jahreszeit paßt auch nicht wirklich dafür. Ich find’s aber dennoch recht animierend, würde jedoch -wenn ich dezidiert eine solche Weinstilistik haben wollte- eher bei z.B. den uckermärkischen -richtigen- Apfelweinen zuschlagen, auch wenn die geringfügig teurer sind. Trotzdem finde ich es spannend, wie nahe Trauben und Äpfel im Einzelfall beieinander liegen können; paßte übrigens schön zu Medjool-Datteln, quasi als krasser Gegensatz. In die Naturweinecke stecke ich diesen Wein übrigens nicht, die richtigen „pure“-Naturinger der Seckingers sind da schon ein gänzlich anderes Kaliber…

Meine Wertung am ersten Tag: Nachkauf 1 von 3, Gesamt 18 von 25

Nachtrag nach 48 Stunden mit Luft: nasal bewegen wir uns klar weg von der vorgestrigen Apfelweinstilistik und sind jetzt bei einem etwas erwachsenerem Riesling mit leichten Naphtalinnoten sowie einigen Orangenzesten in dezent anfermentierter sowie getrockneter Form angelangt. Schmeckt dann auch bei weitem nicht mehr so apfelig, sondern schaut heute recht deutlich in die Naturrichtung mit -in der Reihenfolge ihres Auftretens- Yuzu, Tamarinde und sehr grünem Apfel sowie Verjus, die kühl-kantige Mineralik hält tapfer die Stellung. Beim sehr langen Abgang dann auch was leicht Jodiges, aber vor allem zeigt die Killer-Säure dann klar, wo der Säure-Hammer hängt, spätestens hier ist das definitiv nichts mehr für Weicheier…

Ein krasses Teil ist das jetzt, liebt man oder haßt man, ich gehöre natürlich zu ersterer Gruppe, kann letztere aber auch verstehen…

Meine Wertung am dritten Tag: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 20 von 25

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