Augenfisch zum Schiefer

Meist suche ich den Wein des Tages entsprechend dem Essen aus, das es gibt, manchmal ist es aber auch genau umgekehrt: eine Flasche lacht mich an -in diesem Fall anläßlich einer kleinen Ein- und Umräumerei im Keller- und ich überlege, was ich dazu machen könnte. Zum Glück hatte die Gefriere noch schönen Fisch mit Augen parat und los ging’s:

2016er Riesling – Bockenauer [Felseneck] – Schiefergestein – trocken – [Ortswein], Schäfer-Fröhlich, Nahe

Die Lage „Felseneck“ steht natürlich nicht auf dem Etikett, trotzdem ist es gemäß mehrerer Quellen so, daß die Trauben aus der gleichnamigen Lage stammen. Allerdings nicht unbedingt aus dem vom VDP als „Große Lage“ klassifizierten Bereich, der kleiner als die weinrechtliche Lage „Felseneck“ ist, vor allem im Osten gibt es bewirtschaftete Parzellen, die beim VDP keine Beachtung finden. Die Trauben können also ganz oder teilweise aus dem vermeintlich schlechteren Lagenbereich stammen, vielleicht aber auch ganz oder teilweise abgestuft aus dem Große-Lagen-Teil, ggf. aus Reben, die (noch) nicht der GG-Qualität entsprechen oder es fand vielleicht eine Vorlese statt; oder vielleicht gäb’s sonst so viele Große Gewächse, daß man sie nicht mehr verkaufen kann? Wie auch immer, als VDPler darf das Gut die Lage aufgrund der Bezeichnungsstatuten bei einem Zweitwein nicht nennen, ein Nicht-VDPler dürfte das schon, wenn die Trauben auch daher kommen, zumindest zu 85 % (bei vielen solitären Angaben auf der Flasche ist eine Zumischung von jeweils 15 % anderer Rebsorten, Lagen etc. EU-rechtlich ohne Deklarationspflicht zugelassen). Wie hoch die jeweilige Qualität eines Lagenweins dann aus ihrer Sicht ist, deklarieren „normale“ Winzer mit allerlei Mitteln, die Zahl von angefügten Sternen ist eine der Möglichkeiten, oft werden auch die verschiedenen Prädikatsebenen laut Weingesetz dazu genutzt. In diesem Fall habe ich anhand des 14ers schon mal festgestellt, daß der „Schiefergestein“ zwar dem GG aus gleichem Hause und gleicher Lage wohl leicht nachsteht, zweitklassig ist er jedoch ganz und gar nicht gewesen, es gibt auch GG’s (aus anderen Häusern), die deutlich schlechter dastanden. Kann man das vom 16er auch behaupten?

Farblich ein strahlendes Zitronen(schalen)- bis Goldgelb im Glas, fürs Näschen gibt’s eine kühle Schiefernase, die auch was Basaltisches, generell Vulkanisches im Gepäck hat, dahinter tummeln sich im Wesentlichen gelbe Agrumen wie Zitrone und Ugli, mit Luft auch etwas Pampelmuse incl. zugehörigem Bitterchen. Fürs Gäumchen dann deutlich mehr Zitrus vorndran (in der Reihung Zitrone, Pampelmuse, Ugli), dazu eine superstraffe, superklare Säure, auch hier leichte Zitrusbitterchen, kühles Bachbett mit einigem Schieferanteil, aber auch blaue Korundscheibe. Beim sehr langen, frisch-klaren Abgang grundsätzlich der Schwenk zu VA-Schnitt, hier sehr zitrussaftig, im Finale dann eine Konzentration auf die Pampelmuse.

Wunderbarer Hyperfrischling, bei dem sich mir jedoch der GG-Vergleich nicht aufdrängt, anders als beim oben verlinkten 14er. Das ist aber Meckern auf relativ hohem Niveau und für die Zwölffuffzich Rampenpreis ist das ordentlich viel Wein fürs Geld, aber auch zum Normalpreis gäb’s keinen Grund zu klagen.

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 19 von 25

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