Morstein abseits der Granden – Relaunch

Anders als bei den VDP-Nachbarn gibt’s beim Seehof mehrere -auch trockene- Riesling-Morsteine, dies hier ist der etwas einfachere, verschraubte, es gibt auch noch die verkorkten und teureren „Alten Reben“. Aber auch dieser, vielleicht von „Jungen Reben“ stammende Riesling (?) hat mich beim letzten mal ziemlich von den Socken gehauen, ob das mit gut 3 Jahren Abstand immer noch so ist?

2015er Riesling – Westhofen Morstein – trocken – Qw, Seehof, Rheinhessen

Visuell ein recht intensives Goldgelb, es riecht auch in noch recht kalter Form ebenso intensiv nach gelben und orangen Agrumen: Ugli, Minneloa, Blutorange, alles drin, Zestenanteil dabei ca. 1/3; dahinter auch Anklänge von reifen Mirabellen, weiters eine prägnante, leicht reduktive Schiefernase, die man auch mit VA-Schnitt deuten könnte. Das Ganze schmeckt dann ultimativ frisch, quasi kaltjahrig nach dem o.g. Zitrusmix, wobei hier die gelberen Zitrusfrüchte plus Zitrone die Pole übernehmen, als Oberschwingung wieder ein bißchen Steinobst, irgendwann ploppt auch noch etwas Tamarinde auf, um mit Luft und Temperatur zur Kumquat zu metamorphieren; dazu Säure satt, der Schiefer hier leicht angeerdet wirkend. Auch der Ewigkeitsabgang fächert das Agrumenpotpourri schön auf, wirkt dabei extrem mundwässernd, im Finale dann auf einmal eine dominante Pampelmuse.

Ich weiß nicht mehr, warum ich angesichts meiner letzten, bereits sehr hohen Wertung ein GG-Niveau (noch) nicht angeführt habe, jetzt tue ich’s jedenfalls. Denn so stelle ich mir eigentlich ein Riesling-GG aus kühlem Jahr vor: sehr komplexe und changierende Fruchtseite mit betörender wie fordernder Säurestruktur und charakterstarker Mineralik. Würde aktuell m.E. einen wunderbaren Piraten in einer GG-Runde abgeben (und wohl auch neben 13ern oder 14ern nicht negativ auffallen), größter Spaß für -seinerzeit- 13 Euronen!

Meine Wertung: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 22 von 25

Nachfolgend der Text der Verkostung vom 11. Juni 2020:

Von der Westhofener Lage „Morstein“ sind vor allem die „Großen Gewächse“ der VDP-Granden Wittmann und Keller bekannt, aber nur gut 24 ha der insgesamt 180 ha großen Lage sind vom VDP entsprechend klassifiziert. Ein etwas größerer Teil geht dann noch als „VDP-Erste Lage“ durch, wird aber auf den Etiketten mit anderen EL’s aus Westhofen vermanschelt und somit nur „Westhofen aus VDP-Erste Lagen“ genannt (wer auch immer sich diesen Schmarrn hat einfallen lassen). Winzer, die nicht im VDP sind, dürfen aber ganz legal den kompletten Lagennamen verwenden, wenn einfach die Trauben von dort kommen (bzw. gemäß EU-Reglement zu mindestens 85 %). Daß es in dieser Riesen-Lage auch ganz schlimme Ecken gibt, in der man eigentlich nur Faßwein herstellen kann, denke ich eher nicht, es wäre aber interessant zu wissen, was genau die Unterteilung in GL / EL bzw. „gar nix“ beim VDP begründet. Und mich würde auch interessieren, woher genau aus der Lage die Trauben dieses Morsteins kommen:

2015er Riesling – Westhofen Morstein – trocken – Qw, Seehof, Rheinhessen

Ein helleres Goldgelb im Glas, für den Riechkolben gibt’s einen gelb-grünen Agrumenmix aus Ugli, Limette und Pomelo, ca. 2/3 Spalten, 1/3 Zesten, dazu eine kühl-blaue Schiefernote. Geschmacklich bewegt sich der Wein schon an der Grimassengrenze (im besten Sinne belebend), Zitrus und Säure sorgen für eine recht kernige Frische, untendrunter sind die kühlen Steine etwas mit Ackerscholle beschmiert (vielleicht der berühmte „Morstein-Dreck“, der gerne mal zitiert wird?). Der Nachhall hallt ziemlich lang und zerrt dabei auch etwas an der Gesichtsmuskulatur, auch hier die sehr klare Mineralik, extrem niederviskos.

Der Morstein-Boden besteht im Wesentlichen aus Mergel und Kalk, der schieferige Geschmack resultiert also wohl eher aus der amtlichen Zitrusseite; ist ja eh eine Wissenschaft für sich, wie die Aromatik in Weinen zustande kommt. Ist einer der bzw. überhaupt der frischeste 15er Riesling, an den ich mich erinnern kann, hätte ich blind ohne Weiteres in ein Kaltjahr gesteckt. Von GG-Niveau würde ich hinsichtlich der Komplexität noch nicht ganz sprechen, andererseits hatte ich aber auch schon deutlich weniger schöne „richtige“ GG’s im Glas. War jedenfalls ein großer Spaß für vergleichsweise kleines Geld!

Meine Wertung: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 22 von 25

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