Zum Glück keine Kopie

Seit ich die Weine der Weinentdeckungsgesellschaft jedes Jahr im Dezember geliefert bekomme, freue ich mich einerseits immer, was Carsten Henn da nun wieder Uniques mit einem Winzer seiner Wahl -hier: Lukas Sermann- ausgeheckt hat, andererseits konnte ich mich aber bisher jedes mal disziplinieren, nicht sofort eine Flasche zu öffnen, sondern eine gemäß meiner Laieneinschätzung angemessene Zeit verstreichen zu lassen. Dieses mal war die Begeisterung über den Inhalt erst mal gemischt. Warum? Nun, Spätburgunder von der Ahr ist grundsätzlich eher auf der positiven Seite bei mir angesiedelt, jedenfalls solange es sich nicht um ein süßlicheres Exemplar handelt, gibt’s da schließlich auch. Als ich dann begriffen habe, was da in Lautschrift auf der Flasche steht, war ich im ersten Augenblick schon deutlich weniger begeistert. Denn: ich bin weder ein großer Fan von -typischem- Beaujolais (egal ob „nouveau“ oder richtig), auch die zugehörige Rebsorte Gamay schmeckt mir eigentlich nur dann, wenn sie nicht nach Gamay schmeckt. Das Ziel des WEG-Teams war laut dem Karton beigefügter Beschreibung, einen deutschen „Bojo“ zu kreieren; Gamay gibt’s in D quasi nicht, aber Spätburgunder auf Schiefer sollte eine gute Ausgangsbasis sein und die im Beaujolais übliche Kellertechnik -MC aka Maceration carbonique- kann man ja übernehmen. Tatsächlich wurden beim

2022er Spätburgunder – [boʒɔˈlɛ] – trocken – [Qw], Sermann, Ahr

Spätburgundertrauben aus drei Lagen verwendet, ein Faß aus dem Dernauer Hardtberg wurde im „Semi-MC“-Verfahren vergoren, ein weiteres aus dem Mayschosser Burgberg wurde weingutsüblich behandelt, das letzte aus der Dernauer Goldkaul dann nach dem klassischen MC-Verfahren vinifiziert. Also im Keller dann doch nur so halb „Bojo“. Was mich wieder etwas zuversichtlicher stimmte. Und da man die meisten Beaujolais ja dann doch eher jung trinkt, hab ich mich letztlich entschlossen, schon recht zeitnah nach dem Erhalt ein Fläschchen anzutesten, schließlich hab ich ja drei davon:

Farblich ein recht dunkles Schwarzkirschrot mit mäßiger Transparenz, geruchsmäßig zeigt sich dann auch zuerst eine sehr klare, kühle und dabei recht ernsthafte Schwarzkirsche, dezent neben der Säureankündigung was Rotagrumiges, mit Luft auch prägend Roselle. Geschmacksmäßig dann wieder dieser kühl-klare Schwarzkirschauftakt ohne Plakativität oder auch Kirschsaftigkeit, eher wenige Tannine, die, die da sind, sorgen für eine ganz leichte, sehr feinkörnige Adstringenz, dazu eine superklare Säure, die jedoch nicht kantig wirkt, sondern in Verbindung mit der Roselle / Rosella eine gewisse Geschmeidigkeit zuläßt, der Schiefer ist klar erkennbar, drängelt sich aber nicht in den Vordergrund. Auch der Abgang ist von der kühl-fluffig-frischen Art, auch hier kein Abgleiten in irgendeine Art der Vordergründigkeit.

Soweit ich das mit meiner eher geringen Erfahrung mit Beaujolais der typischen Machart beurteilen kann, ist der [boʒɔˈlɛ] hier nicht unbedingt einzuordnen, jedenfalls wäre ich blind wohl kaum drauf gekommen; ich könnte mir eher vorstellen, daß ich auf einen dieser Gamays „neben der Spur“ getippt hätte, also denjenigen, an denen ich deutlich mehr Freude haben kann und die gerne mal von einem meiner naturweinlastigen Weinfreunde ins Rennen geworfen werden. Wenn also das Ziel war, einen Wein zu kreieren, der dem typischen „Bojo“ nahekommt, würde ich fast sagen „Themaverfehlung“, wenn’s aber eine Annäherung an die spannenden Querschläger der Region sein sollte, dann paßt’s wieder!

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 20 von 25

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