Samtig frisch und schwefelfrei – Relaunch

Ich hab hier ja schon mehrfach mein Leid über so manchen ungeschwefelten Naturwein geäußert: einerseits führt die Minimalst- bis Garnichtschwefelung zu einer für mich sehr animierenden wie spannenden Aromatik ab der ausgetretenen Pfade der konventionellen Weingenese, andererseits sind die No-SOx-Weine auch signifikant anfällig für die Entwicklung von Kleberaromen, die nicht gerade selten die Schwelle der spannenden Kante schamlos wie weit überschreiten. Deshalb gehe ich mehr und mehr dazu über, meine Naturinger nicht zu alt werden zu lassen, um den Klebstoffattacken nach Möglichkeit zu entgehen, das Zeuch ist ja auch nicht unbedingt mit Schleuderpreisen belegt. So habe ich vorgestern einen Wein eines Schwefelgegners geöffnet, der vor knapp zwei Jahren diesbezüglich noch gänzlich unauffällig war:

[20]19er Grolleau – Le Zu defruit – Vin de France, Jérôme Lambert, Loire

Farblich ein leicht trübes Rubinrot, mittlere Transparenz, nasal leider erst mal eine deutliche Kleberspur, erstaunlicherweise mutiert diese aber innerhalb weniger Minuten fast vollständig zu einer Art recht angenehm wirkenden Kautschuks, das macht Platz für stark angesamtete, kreidige Kirschen sowie ein paar derselben in Gummiform, allerdings nicht die plakativen Supermarktteile, ein Hauch Karamell spielt noch mit; nach gut einer Stunde sind wir dann komplett kleberfrei und das Bukett präsentiert sich kreideweich, dennoch bleibt ein leichter Weichselsäureschleier übrig. Am Gaumen fast der gleiche Eindruck, nur daß wir hier deutlich schneller komplett frei von Ethylacetat & Co. sind, die Säure ist ordentlich bemessen und sehr schön gegen die rote Trockensüße aus Gummikirsche und -waldhimbeere balanciert, die Mineralik wird um Magnesiumoxid ergänzt. Auch der Abgang ist geprägt von dieser äußerst samtigen, leicht adstringierenden Mineralik, dahinter wieder die zwar gummierte, aber dennoch nicht künstlich wirkende Frucht.

So wirklich durchschaut habe ich den Mechanismus hinsichtlich des kommenden und gehenden Ethylacetats bzw. dessen was so schmeckt, noch nicht, mal nimmt der Kleber mit Luft unaufhaltsam zu, mal zerfällt er regelrecht. So spannend die ganzen Natursachen für mich ja sind, bezüglich der Kleberthematik muß man in der Branche oder dem Genre schon noch einige Erfahrungen sammeln, denke ich. Hier ging’s ja letztlich trotz leichtem Wertungsabschlag positiv aus, aber ich hab ja auch eine ganze Reihe von nicht (mehr) so animierenden Weinchen in meinen Notizen verewigt…

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 20 von 25

Nachfolgend der Text der Verkostung vom 9. Juli 2022:

Gestern wurde zu einer kleinen Grillerei, bei der’s ausnahmsweise nicht nur tote Fische gab, nach was Rotem verlangt; gute Gelegenheit, mal wieder eine neue Rebsorte in die Gläser zu füllen:

[20]19er Grolleau – Le Zu defruit – Vin de France, Jérôme Lambert, Loire

Farblich ein mittleres Granatrot mit ebensolcher Transparenz, nasal gibt’s einen kalk- und gerbstoffgepuderten Kirsch- / Mandarinenmix. Am Gaumen ist das Ganze superflaumig, schmeckt im ersten Moment nach KiBa, dann kommen die Gerbstoffe mit großem Geschmeide zur Geltung, die Säure ist eher unauffällig, hält den „Zu“ aber sehr niederviskos; anschließend etwas japanisches Bananenkonfekt mit Himbeercoating und einem Hauch Mandarine, ordentlich Kalk und Kreide als Basis. Abgangsmäßig dann eine Art orange Mineralik zur roten Samtfrucht, welche sich nebst etwas süßebefreitem Karamell bis ins schier ewige Finale zieht.

Sehr eigene Stilistik / Aromatik, von der ich nicht sagen kann, was man nun der Rebsorte und was der schwefelfreien Vinifizierung zuschreiben kann. In jedem Fall ein großer Spaß mit einem so noch nicht gehabten Wein.

Meine Wertung: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 21 von 25

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