Was ist typisch am Wiener Gemischten Satz?

Heute mal wieder Österreich, das Land mit der mittlerweile ziemlich hohen Zahl an Landweinen. Diese Zunahme der unteren Weinkategorie bedeutet jetzt allerdings nicht zwangsläufig, daß die Qualität der A-Weine insgesamt rückläufig ist, vielmehr paßt ein Gutteil dieser Weine einfach nicht mehr in die gefühlt immer enger werdenden Typizitätsschubladen der österreichischen Qualitätswein- und DAC-Kontrolleure. Eines der Weingüter, die sich aufgrund der Querelen mit der Weinobrigkeit mittlerweile völlig vom Qualitätswein(un)wesen verabschiedet hat, stammt aus der österreichischen Bundeshauptstadt:

2020er Gemischter Satz – [Sieveringer] Ringelspiel – trocken – Landwein Weinland, Jutta Ambrositsch, Wien

Die Trauben stammen aus einem in 1952 gepflanzten Gemischter Satz mit alten, meist seltenen Rebsorten, von denen bisher 12 bekannt sind, u.a. Kahlenberger Weiße, Jubiläumsrebe, Orangetraube, Grüner Silvaner, diverse Traminer sowie Gutedel. Ob’s dort einen alten Lagennamen gemäß Etikett gab (offiziell gibt’s den nicht) oder es sich einfach um eine Art Medley aus alten Heurigenliedern handelt, die die beiden Namen enthalten bzw. enthielten (nur bis ca. 2016 „Sieveringer Ringelspiel“, solange es noch ein Qw war), weiß ich nicht, vielleicht ist jemand schlauer?

Visuell ein helleres, zum Messing schielendes Goldgelb, nasenseitig ist das dicht und hellgelbfruchtig mit Exotik à la Kaktusfeige, Guave und Nashibirne, allerdings ohne jegliche breiteschaffende Mehligkeit, welche jene Aromatik sonst so gerne begleitet; dafür gibt’s dezente wie erfrischende Kräuterigkeit, insbesondere Zitronengras, weiters einige Pomelozesten. Am Gaumen drängen sich letztgenannte Zesten gut nach vorne, dann kommt ordentlich Lemon-Pepper ins Spiel, die Nasenexotik spielt hier eher als Oberschwingung mit, säureseitig ist das „Ringelspiel“ kantig-straff aufgestellt, kühler Kalk mit etwas bitterlicher Glimmerbeimengung als Bodenassoziation. Beim sehr langen Nachhall setzt sich dann die Mineralikfraktion mehr durch, das Glimmer- / Bitter Lemon-Bitterchen posiert hier animierend, staubt irgendwann auch ein bißchen.

Das ist schon ein höchst eigener Gemischter Satz, wobei ich mich im gleichen Atemzug frage, was denn eigentlich im Gegenzug ein typischer „Wiener Gemischter Satz DAC“ genau sein soll? Ich für mich selbst würde da gerne erfahren bzw. erleben / erschmecken, daß die Hauptrebsorten schon einen erkennbaren Fußabdruck hinterlassen, aber ansonsten ein enger umrissenes Geschmacksbild definieren zu wollen, das dann über „DAC“ oder nicht entscheidet, ist in meinen Augen schon gewagt. Und hier haben wir es ja mit einem GS zu tun, bei dem viele der genannten Rebsorten hinsichtlich ihrer Einzelcharakteristik weit mehrheitlich unbekannt sein dürften. Also deswegen untypisch? Oder führt vielleicht schon die Tatsache, daß so manche der beteiligten Rebsorten bis dato gar nicht bekannt sind, ins weinkategorische Verderben? Wie auch immer, für mich ein erneutes Beispiel, das zeigt, daß sich mittlerweile hinter den Landweinen die gefühlte Mehrheit der wirklich spannenden Österreicher verbirgt.

Meine Wertung: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 21 von 25

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