WRINT – diesmal tatsächlich online

Nach einiger Zeit haben wir’s tatsächlich mal wieder geschafft, zum eigentlichen Podcast-Termin an einer WRINT-Flaschen-Verkostung teilzunehmen. Noch dazu diesmal ein aus meiner Sicht sehr spannendes Thema, nämlich „Georgien“, wobei alle drei Weine in der dort beheimateten Amphore bzw. „Quevri“ vergoren und ausgebaut wurden, die verwendeten Trauben entstammen alle der aktuell 525 Mitglieder umfassenden autochtonen Rebsortenfamilie Georgiens. Ich habe aus diesem „Land der Urweine“ bis jetzt sträflicherweise erst einen einzigen Wein probiert, den hat vor gut 5 Jahren einer meiner Weinbekannten zur ersten Münchner Blindtasting-Runde mitgebracht, eben dieser Spender war bei der Georgien-Runde nun auch wieder dabei.

Zuerst aber ein bißchen was zum Einstimmen, denn der Podcast ging erst um 20:30 los:

Wein A: 2019er Scheurebe – trocken – Qw, Jülg, Pfalz

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Ein helleres Strohgelb im Glas, riecht nach Jostabeere und Mirabellen, gewürzt mit etwas Minze und Frühlingswiese. Am Gaumen ähnlich, schöne Säure, etwas Limette, ein paar Kiesel. Ordentlich langer und würzig frischer Abgang.

„Leicht, beschwingt, knackig!“ lautet hier die Kurzbeschreibung zu dieser sehr schönen Basis-Scheurebe. Für mich vor allem ein weiterer Hinweis darauf, daß ich mit 2019 aus D sehr viel mehr anfangen kann als mit 2018!

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 17 von 25

Sehr zur Freude der beiden anwesenden Damen war der zweite Aufwärmer was mit Schaum:

Wein B: (2019er) [Chardonnay] – brut – Trento DOC, Madonna delle Vittorie, Trentino

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Farblich zeigt sich ein mittleres Messing im Glas, sehr feine Perlage mit Ausdauer, riecht nach Spontihefe und Sauerteig, dahinter ein paar sekundäre Äpfel und Birnen. Am Gaumen knalltrocken, ein paar leicht staubig-samtige Gerbstoffe, dazu ein Birnencroissant; das Ganze wird durch eine satte Säure und ein kühleres Tuffsteinbett auf der flutschigen Seite gehalten. Auch der Abgang ist einerseits recht extraktgeladen, andererseits aber gefühlt völlig restzuckerfrei, dazu dann wieder die belebende Säure; das Finale bietet auch was leicht blumiges.

Hoch animierender Schäumer mit eigener Mineralik und toller Spannung zwischen Extrakt und Säure, aufgrund seiner Eigenständigkeit für uns durchaus ein Mehrfachnachkäufer. Hab‘ ich ursprünglich zur Verpflegung während unseres kurzen Italien-Urlaubs vor Ort aus Interesse blind gekauft, präsentiert sich deutlich besser als erwartet.

Meine Wertung: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 20 von 25

1. Wein: 2017er Tsitska-Tsolikouri – dry – Asureti Valley, Gotsa Family Wines, Kartli

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Tsitska und Tsolikouri sind hier die Namen der verwendeten Rebsorten, Kartli ist die Weinbauregion und Asureti Valley der Bereich.

Farblich ein leicht trübes, etwas gedecktes Orange, riecht insbesondere anfangs sehr dicht nach Pflaumenwein, dezent apfelkrautig, gebremster Flint, etwas Kümmel. Am Gaumen gleich recht samtig mit einigen Gerbstoffen plus Bohnerwachs auf Linoleum, sehr sekundäre Physalis, leicht adstringierend, super moderierende Säure, das Ganze spielt sich auf wachsigen Steinchen ab. Der Abgang ist sehr lang und tatsächlich etwas tonig / lehmig, leicht belegte, oxidiert-sekundäre Kaki / Physalis bestimmen das ausdauernde Finale.

Sehr schön gemachter Orange-Wein mit recht eigenständiger Aromatik, die jedoch aus meiner Sicht nicht (zumindest nicht zu sehr) ins Abenteuerliche abgleitet und der auch keinerlei Fehltöne aufweist, jedenfalls wenn man ein bißchen über den üblichen Weinaromen-Tellerrand hinausschauen kann. Hat vor allem auch den weniger „geekigen“ Rundenmitgliedern sehr gut gefallen, sowas macht also nicht nur den „Hardcore“-Trinkern Spaß.

Meine Wertung am ersten Tag: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 21 von 25

Nachtrag nach 24 Stunden mit Luft: In der Nase wirkt der Extrakt jetzt etwas (exrakt)süßlicher, leicht fermentierte Orangen zeigen sich, ein Hauch Gutenberg-Klebestift. Am Gaumen haben sich die Gerbstoffe in wohltuender Weise etwas verstärkt, jetzt auch ein bißchen Roiboos-Tee und ein Schlag Karamell. Der Abgang wirkt noch etwas wärmer, auch dezent wachsig, bleibt aber insgesamt auf der frischen Seite.

Ist aus meiner Sicht jetzt nochmal komplexer und auch spannender geworden, trotz Substanzvermehrung keine Trinkflußeinbußen.

Meine Wertung am zweiten Tag: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 22 von 25

2. Wein: 2016er Mtsvane – dry – Alvani, Tsikhelishvili Wines, Kacheti

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Mtsvane ist hier die Rebsorte, der Wein stammt aus dem Bereich Alvani in der Region Kachetien.

Farblich ein dunkleres Braunorange, riecht nach Hafenbecken, Naphtalin und Quitte, auch etwas Keller, später dann eher Kirschen und Pflaumen, irgendwann kommen ein bißchen Menthol sowie Kastanienhonig ohne Süße sowie eine Art Mandarinenlikör dazu. Am Gaumen eine ganz eigene Aromatik aus hochviskosen und mit Talcum bestäubten, sekundären Maracujas bzw. später kandierten, aber dennoch nicht süßen Mirabellen, mit noch mehr Luft auch ultraoxidierter Backapfel; dabei durchgehend eine leicht ölige Textur bei eher moderate Säure und Specksteingrundlage, dadurch zeigt sich anfangs eine leichte Breite, welche sich -da völlig trocken- nicht negativ bemerkbar macht, im weiteren Verlauf ploppt noch etwas getrocknete Mandarinenschale auf. Der Abgang ist warm-geschmeidig, hier auch etwas Silberpuder, zu Beginn ein ganz leichtes Heftpflasterfinale, später ist dieses eher von ein paar orangen Zesten geprägt.

Etwas geschmeidiger, eleganter und wandlungsfähiger als der Vorgängerwein, welcher sich dafür aber deutlich spannender präsentiert hat.

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 20 von 25

Nachtrag nach 24 Stunden mit Luft: nasal gibt’s nun eingetrocknete Bitterorangenmarmelade, einen Hauch Amaretto sowie ein bißchen Schwarztee. Am Gaumen ist die Änderung nicht so signifikant, wirkt insgesamt ein bißchen dichter, beim Abgang ist das Finale frei von Klebstoffen.

Ist jetzt noch ein bißchen gesteinsmehliger und auch liköriger, flutscht aber nach wie vor recht gut. Wertungsmäßig hier keine Änderung.

3. Wein: 2018er Shavkapito – Marani – dry – [Okami], Alapiani, Kartli

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Wieder ein Wein aus der Region Kartli, Bereich Okami, Shavkapito ist die Rebsorte.

Granatrote Farbe, in der Nase Beeren und Kirschen, etwas Joghurt, Schillerlocken, dazu eine leichte Teigsüße. Am Gaumen einige Tannine, die jedoch eher weißlich wirken, geschmeidige, leicht bekalkte Frucht, etwas weißer Rauch, schöne Säure, solide Kreidebasis. Der Abgang ist auch recht geschmeidig bis samtig, wieder sekundär beerig mit Kalk und Speckstein als Grundlage.

Durchaus schön, aber irgendwie unspektakulär, braucht man für den Preis von regulär über 20 Euronen aus meiner Sicht nicht so weit transportieren, wäre mal interessant zu wissen, was das Fläschchen vor Ort kostet.

Meine Wertung: Nachkauf 1 von 3, Gesamt 18 von 25

Nachtrag nach 24 Stunden mit Luft: das Laktische ist weg und wurde durch ein bißchen Kleber ersetzt, die Tanninchen sind jetzt fast zur Unkenntlichkeit verflaumt, aus Kreide wurde Talcum, die Säure hat leicht an Boden verloren. Der Abgang ist nun auch ein ziemlicher Schmeichler.

Ist heute gefällig im besten Sinne, also ohne Beliebigkeit, spannend geht aber nach wie vor anders.

Nachtrag nach 6 Tagen mit Luft: nur noch ein Hauch Kleber, die Frucht ist immer noch bekalkt, ganz leicht schlägt der Alk durch. Am Gaumen jetzt hypergeschmeidig, aber es tut sich auch ein kleines substanzielles Loch auf. Auch der Abgang ist nochmal etwas fluffiger geworden.

Nunmehr quasi ein Weichspülerwein par Excellence, durchaus schön oder auch „nett“, aber nach wie vor nichts Nachkaufwürdiges für uns.

Fazit:

Die wichtigste Erkenntnis aus dieser sehr interessanten Verkostung ist für mich, daß ich dem Wunsch von Holger Klein (dem WRINT-Initiator), daß er am liebsten alle 525 autochtonen Rebsorten aus Georgien probieren möchte, gerne beitrete. Wobei mir aktuell die weiße bzw. orange Seite aktuell interessanter erscheint. Wenn wieder etwas mehr Platz im Keller ist, werde ich mir da sehr sicher noch ein bißchen was besorgen…

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