„Einfach so“- Relaunch – Rev. 1

Ich arbeite jetzt gerade die ganzen aufgestauten „Gruppentrinken“-Beiträge ab: nachdem Ende Oktober letzten Jahres mal eine „Einfach so“-Runde in unserer näheren Umgebung aus dem Boden gestampft wurde, fand Mitte Dezember am gleichen Ort nochmal sowas in etwas kleinerer Runde statt. Man muß ja sehen, wo man bleibt…

1. Wein: 2020er Sauvignon blanc . Riesling – Pétillant Weiss – Deutscher Perlwein (L-Nr. 81A-19), d.b Schmitt, Rheinhessen

Bei dieser Flasche fiel mir auf, daß zwei Etiketten übereinander geklebt waren; das obere hing etwas weg, als ich die Flasche ausgepackt habe, so konnte ich sehen, was drunter war. Anscheinend ist da irgendwas im Gut bzw. der Druckerei schiefgelaufen, denn das untere Etikett wies den Jahrgang 2019 sowie einen um einen halben Punkt abweichenden Alk-Gehalt auf, die Lot-Nr. war aber in beiden Fällen dieselbe. Was auch immer in der Flasche drin gewesen ist, gut war’s:

Ein trübes, helles Messing im Glas, sehr feiner Blubber mit ziemlicher Ausdauer, riecht nach ordentlich feiner Brioche, dazu Bergapfel, etwas grüne Birne. Schmeckt trocken gerbstoffig / hefig, distinguierte Säure, mehlige Äpfel in gelb und grün, hier auch ein paar grüne Beerchen, welche man dem SB zuordnen kann, viel Kreide untendrunter. Der Abgang ist sehr lang, dabei übernehmen die flaumigen Gerbstoffe die Pole.

Diese außergewöhnliche Kombination aus Sauvignon blanc und Riesling führt auch zu einer im Detail außergewöhnlichen Aromenkombination, wobei sich quasi ein Spannungsdreieck aus den beiden Rebsorten und der Gerbstofflast ergibt. Großartiger Strukturschaum!

Meine Wertung: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 21 von 25

Rev. 1: einen weiteren 20er mit abweichender Lot-Nr. gibt’s auch…

2. Wein: [2017er] [Riesling] – 14 (quatorze) – Verba Pampinea – Vin de France, Pierre Andrey, Alsace

Dieser Wein ist eine sogenannte Micro-Cuvée, d.h. der Gärprozeß findet in kleinen 50 Liter-Glasballons (tatsächlich in einer Garage!) statt, insgesamt gibt’s bzw. gab’s von diesem Wein nur 66 Flaschen.

Helleres, ganz leicht trübes Goldgelb, expressive Basalt-Riesling-Nase, leicht Ananas und Ugli im Hintergrund. Schmeckt dann aber leicht grünnussig, dazu etwas anfermentierte Limette, cremige und doch deutliche Säure, bemooster Tuff. Der schön lange Abgang zeigt in erster Linie die leicht grüne, aber nicht unreif wirkende Säure.

Das ist so ein bißchen wie leicht reduktiver Riesling von der Loire (wenn’s den denn da gäbe), sehr eigen und dabei spannend, hat aber auch seinen Preis…

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 20 von 25

3. Wein: [2018er] [Poulsard] – Ai du – Vin de France, Les Valseuses, Jura

Die Farbe ist ein helles Kirschrot mit hoher Transparenz, nasal kommt einem der Poulsard weißrauchig entgegen, fruchtseitig gibt’s Granatapfel und einen Hauch Walderdbeere, auch Roiboos. Am Gaumen einerseits filigran, aber doch sehr substantiell, sehr klare Frucht, strahlende Säure, schrappt erfolgreich vor der Kitschgrenze entlang, kühle Mineralgrundlage. Schön langer Abgang mit roten Agrumen plus Granatapfel, super klare Säure.

So wie viele Poulsards (aka Ploussard) hat auch dieser Wein eine kleine Kitschkomponente, die aber erfolgreich auf die animierende Seite gezogen wird. Außerordentlich eigenständig, tiefgründig und unkompliziert zugleich, großer Spaß!

Meine Wertung: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 21 von 25

4. Wein: [2017er] [Sumoll blanco] – BS – Vino [da Mesa], Partida Creus, Catalunya

Farblich reden wir hier von dunklem Lachs, nasal gibt’s Cantaloupemelonenextrakt, ein paar gedämpfte Orangenzesten, etwas saures Karamell sowie einen angenehmen Hauch Kleber. Gaumal setzt sich das so fort, superklare Säure, etwas Früchtetee bzw. Hagebutten, flaumige, kalkige Rotlage als Basis. Minutenlanger Abgang mit dezent lakritziger Orange- bis Rotfrucht.

Extrem niederviskoser Wein zwischen Rosé und Orange, perfekte Balance zwischen unkompliziertem Saufwein und anspruchsvollem, sehr komplexem Freakwein.

Meine Wertung: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 22 von 25

5. Wein: 2019er Arinto – Cristovan – Vinho de Portugal, Ermegeira, Lisboa

Im Glas ein trübes Braunorange, riecht nach angebrannter Orange, deutliche angekündigte Gerbstofffracht. Geschmacklich dann weißer Teer, leicht basaltiger Darjeeling, geschmeidige und doch potente Säure, gerbstoffdotierte, sehr sekundäre Orangen und Maracuja, interessanter Mix aus Oxidation und Reduktion, darunter ein Gemisch aus Kalk und gelben Eisensalzen. Der mehrminütige Nachhall ist dann relativ klar und bringt auch einen Hauch Fino-Sherry mit.

Ich war gedanklich erst in Österreich bei Werlitsch oder ähnlich, daß sowas aus Portugal kommen kann, war mir völlig fern. Für mich die Überraschung des Abends!

Meine Wertung: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 22 von 25

6. Wein: 2020er Field blend – Otoño – Kindeli, Alex Craighead, Nelson

Dieser Wein stammt aus einem Gemischten Satz mit Gewürztraminer, Riesling und Pinot gris.

Trübes Rotorange, deutliche Traminernase mit malzigen Blutorangen, weiters Hagebutten, mit Luft etwas Rambutan. Am Gaumen dann rotblumige Frucht, straffe Säure, kühle Mineralik, auch der sehr lange Abgang schafft eine hohe Spannung zwischen Sekundärfrucht und Säure & Co.

Das erinnerte mich ein bißchen an ähnliche Traminerexperimente aus dem Bereich Neusiedlersee, wobei ich die meisten diesbezüglichen Österreicher noch expressiver erlebt habe. Am interessantesten war hier für mich die Erfahrung, daß es sowas aus NZ überhaupt gibt.

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 20 von 25

Nachdem ich bereits das Line-up für den Beitragstitel fotografiert habe, kam unser Gastgeber noch mit dieser Flasche um die Ecke:

7. Wein: [2019er] Gamay – Songes – Vin de France, L’Insolent, Bourgogne

Deutlich trübes Erdbeerrot, leicht kleberdotierte, steinmehlgepuderte Rotfrucht, am Gaumen sehr schlanke Frucht mit Specksteinpuder, straffe Säure, der Abgang ist lang und frisch, hier der klarste Eindruck während des Genusses.

Ich glaube, ich habe schon mehrfach erwähnt, daß Gamay bei mir nicht unbedingt die erste Rebsortenwahl ist, trotz anerkannt hoher Qualität würde ich mir auch diesen Wein nicht unbedingt selbst kaufen wollen (ganz im Gegensatz zum Aligoté des Hauses)…

Meine Wertung: Nachkauf 1 von 3, Gesamt 19 von 25

Fazit: da der Gastgeber gefühlt ein noch größeres Faible für Weine aus der der Klassik entgegengesetzten Ecke hat, war irgendwie klar, daß das zur Naturweinparty ausarten würde. Entsprechend hoch war dann auch das erlebte Niveau der verklappten Weine, auch der einzige „Einser“ im Feld war objektiv (soweit das geht) ein sehr guter und spannender Wein, liegt halt nur etwas außerhalb meines bevorzugten Beuteschemas. Last but not least vielen Dank an unsere Gastgeber für den spannenden, entspannten, lustigen, kurzweiligen Abend!

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