53. Weinrunde in München

Soweit ich den Überblick noch habe -ich bin aus Termingründen nicht bei jeder Runde dabei-, müßte die hier beschriebene Weinrunde die 53. seit unserem Start im Juni 2015 sein. Falls nicht, Bitte um Korrektur von berufener bzw. kundiger Seite! Das von unserem Gastgeber ausgewählte Thema war diesmal „Weine, bei denen auf dem Etikett der Hinweis auf den Boden enthalten ist“. Ein diesbezüglicher Check im Kellerbuch bzw. der Keller-DB ergab natürlich eine Übermacht von Kalkweinen, ich habe aber auch ein paar seltener zu findende Bodenangaben entdeckt, von denen es eine hier ins Rennen schaffte. Meinen eigentlichen Favoriten, den „Gneisz és Csillám“ hab ich jedoch Zuhause gelassen, da ich den Wein schon mehrfach im Glas hatte und wir ja Sachen mitbringen sollen, die wir selbst noch nicht kennen.

Prolog: zu Beginn jedoch erst mal ein bißchen was Spritzeliges, das aber schon von der Aufmachung her auch sehr gut in die Thematik paßt:

Wein A: 2013er [Chardonnay] – Bouzy – Chalky – brut – Champagne [AOP], André Clouet, Champagne

Ein mittleres Messing im Glas, anfangs eruptiver, ziemlich grober Blubber, der sich dann zumindest visuell etwas zurückzieht, aber ganz gut nachhaltig ist. Nasal dann eine leicht nussige, sehr sekundäre Gelbfrucht. Am Gaumen setzt sich das so fort, der leichten Cremigkeit steht eine relativ straffe Säure gegenüber, ordentlich gelöschter Kalk als Basis. Schön langer Abgang mit belebender Säurekante.

Hatte ich aufgrund der Nußspur für Chenin-Schaum gehalten; ist ein recht spannendes Getränk mit einem super Verhältnis von Säure und elegantisierenden Komponenten wie dem Kalk und den Nüßchen.

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 20 von 25

Drama:

1. Wein: 2018er [Chenin blanc] – Tuffeau – sec – Vin de France, Pierre-Olivier Bonhomme, Loire

Das Glas präsentiert ein straffes Messing, riecht dann recht nussig mit Mandeln und Macadamia, dahinter eine sehr sekundäre Gelbfrucht, am ehesten Kaktusfeige sowie Albedo von Zitronatzitrone und Pomelo. Gaumal zeigen sich deutlich mehr gelbe Agrumen, dazu einiges an Lemon Pepper, weiters eine potente Säure, dennoch bleibt einiges an Raum für Eleganz; als Unterbau gibt’s erkennbar Kalkiges, der Name paßt also grundsätzlich. Sehr langer, frischer und trotz der leichten Cremerei fast etwas kantiger Abgang.

Viele Chenins leiden mehr oder weniger unter der rebsortenbedingten Neigung zur Nußcremigkeit, welche dann bei mangelnder Säure unweigerlich in die behäbige Breite führt. Dieses Krankheitsbild zeigt der „Tuffeau“ nicht mal im Ansatz, ist für einen CB sogar auffällig unrund, sehr sehr schön!

Meine Wertung: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 21 von 25

2. Wein: 2019er Weißburgunder – Lößlehm – trocken – Qw, Kopp, Baden

Ein leuchtendes Goldgelb zeigt sich, nasal hellere Gelbfrucht, leicht sekundäre Nashi-Birne und japanisches Bananenkonfekt, etwas helle Würze, anfangs leicht reduktiv. Am Gaumen wirkt die Frucht dann etwas plakativer, hier gibt’s saure Mango und Rhabarber, dazu eine gut austarierte Säure, weiters eine frisch-grünliche Basis mit einem bemoosten Bachbett aus Tuffstein, grünliche Holzanmutung. Der ordentlich lange Abgang lebt in erster Linie von der hier besonders straffen Säure.

Fand ich anfangs recht spannend, mit dem recht schnellen Schwinden der reduktiven Kanten und dem Erstarken des leicht künstlichen Fruchtextrakts schwindet jedoch diese Spannung recht schnell; es bleibt ein an sich gut gemachter Fruchtiger, der bei mir aber keinen Nachkaufreflex mehr auslöst.

Meine Wertung: Nachkauf 1 von 3, Gesamt 17 von 25

3. Wein: 2021er Sauvignon blanc – Kalk & Kreide – trocken – STK – Südsteiermark DAC, Tement, Südsteiermark

Farblich ein helleres Goldgelb, den Riechkolben erreichen zuerst Kräuter wie Estragon und Rucola, dahinter fast versteckt Stachelbeere, unreife Kiwi und Tamarinde, mit etwas Luft und Erstarken der Fruchtseite auch Holunderblüte und weiße Johannisbeere. Schmeckmäßig setzt sich das so fort, die Frucht wirkt hier durchgehend prägnanter, je Luft, desto Gelbfrucht wie unreifer Pfirsich zeigt sich, dazu eine sehr klare Limettensäure, auch etwas saures Karamell, profunde Kalkbasis, zunehmend entwickelt sich auch etwas grünliches Holz. Beim schön langen Abgang kommt das Grünholz von Anfang an deutlich mehr heraus.

Sehr schöner und spannender SB mit enormem Trinkfluß, einerseits aktuell noch auf der eher lauteren Seite unterwegs, andererseits aber auch sehr komplex mit ständig changierender Kräuterseite, dürfte mit einigen Jahren Kellerlager noch deutlich gewinnen, deshalb jetzt schon ein „3er“.

Meine Wertung: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 21 von 25

4. Wein: 2020er Morillon – Muschelkalk – trocken – STK – Südsteiermark DAC, Tement, Südsteiermark

Ein helleres Strohgelb im Glas, geruchlich hellere Gelbfrucht mit Weinbergspfirsich und Mirabelle, dezent kräuterig. Am Gaumen auch grünere Aromen von Jostabeere und Limettenzesten, dazu Estragon und Pimientos; säureseitig sind wir recht kernig unterwegs, dennoch zeigt sich eine leichte Cremigkeit, untendrunter eine saubere Kalkschicht, mit Luft entwickelt sich ein dezent grünlicher Holzeindruck. Nachhallmäßig dann zuvorderst die frisch-knackige Säure, dennoch eine etwas loiremäßige Anmutung hinsichtlich der Stilistik.

Ich war mir eigentlich sicher, daß auch hier Sauvignon blanc im Spiel ist, zumindest als Cuvéepartner, auf reinsortigen Chardonnay bin ich nicht gekommen. Macht aber nix, im Ergebnis ein sehr animierender Wein!

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 20 von 25

5. Wein: 2017er Riesling – Rohrbacher Mandelpfad – „Löß Pleistozän“ – Bienenglück – trocken – Qw, Neuspergerhof, Pfalz

Optisch ein strahlendes Goldgelb, fürs Riechorgan gibt’s einen Agrumenmix aus Orange, Mandarine und Yuzu, leicht reduktiv und basaltisch. Am Gaumen ein eher saftiges Zitruskonzentrat mit Kumquat, Yuzu und Ugli, zwar auch hier gut vulkanisch, aber etwas mehr in der dritten Reihe, dafür gibt’s noch was Schieferiges extra; die Säure kommt recht selbstbewußt daher, etwas Großholz macht sich bemerkbar. Der recht kantige Abgang betont die orange Agrumatik, straffe Säure mit Pimentdotierung.

Sehr extraktreicher Riesling mit guter Balance aller Aromen, dennoch nicht ausgewogen im klassischen Sinne, was ich hier als Vorteil werte.

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 20 von 25

Intermezzo: zwischen Weiß und Rot gab’s noch einen Zwischenwein, der thematisch jedoch auch passend war:

Wein B: 2018er Ruländer / Müller-Thurgau / Silvaner – Vulkanfels – trocken – Badischer Landwein, Peter Wagner, Baden

Ein Goldgelb mit Messingschlag im Glas, riecht dicht nach sekundären Mirabellen, dann zeigen sich Kreide und Speckstein. Am Gaumen dann etwas breite, dennoch unreife Frucht, eher moderate, grünliche Säure, die aber gute Arbeit verrichtet, eher belegte Mineralik. Schön langer, wieder leicht unreif wirkender Abgang.

Diesen Wein hatte ich schon mal im Glas und war beim Aufdecken etwas enttäuscht, denn bei der Erstbegegnung gefiel mir der Wein erheblich besser. Das hängt wohl in erster Linie damit zusammen, daß sich die einst schöne Reduktivmineralik praktisch vollständig verzogen hat, der Name „Vulkanfels“ steht nun etwas verloren auf dem Etikett.

Meine Wertung: Nachkauf 1 von 3, Gesamt 17 von 25

6. Wein: 2009er [Syrah] – Les Granits – Saint-Joseph AC, M. Chapoutier, Rhône

Mittleres Rubinrot mit ebensolcher Transparenz, nasal zeigt sich dezent wie prägend heller Tabak, dann leicht ankompottierte, grünliche Sauerkirschen, etwas schwarze Johannisbeere. Am Gaumen sind wir dann deutlich mehr auf der beerigen Seite unterwegs, Brom- und schwarze Johannisbeeren sind hier bestimmend, dazu eine schöne Säurestruktur nebst etwas grüner Paprika, wirkt auch ein bißchen laktisch, ein paar Schieferplatten als Unterlage. Schön langer und frischer, fast kantiger Fruchtabgang, im Finale dann signifikant jodig.

Tatsächlich dachte ich hier im ersten Moment eher an Cabernet franc denn an Syrah, auf diese Weise lasse ich mir einen Rhôhninger gerne eingehen!

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 20 von 25

7. Wein: 2017er Pinot noir – Gladstone, Johner Estate, Wellington

Im Glas granatrot mit deutlicher Transparenz, nasal zuerst würzig-schiefrig, dann sekundäre Kirsche, Pfifferlinge vervollständigen die Pinot-Nase. Schmeckt dann nach einer Art Würzkirsche begleitet von waldigen Erdbeeren, die Frucht wird auch insgesamt von einer deutlichen Würze überlagert, dazu eine recht prägende Säure, Pilze nebst Totholz und etwas Vanille gibt’s auch noch, vulkanische Basis. Schön langer Abgang, der sich auf die Pfifferlinge und etwas Lakritz konzentriert, hier zeigt sich die Säure besonders straff.

Hier weist nur das Rückenetikett „sandig-lehmigen Boden mit Kieselsteinen“ aus, was jetzt nicht so sehr bei meiner geschmacklichen Wahrnehmung ankommt, soweit aber dennoch ein erwähnenswerter PN.

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 19 von 25

8. Wein: 2018er [Cuvée] – Tinto Vulcânico – Açores Wine Company – I.G. Açores, António Maçanita, Açores

Dies ist eine Cuvée aus Aragonès, Agronómica, Castelão, Malvarisco, Merlot, Touriga Nacional, Saborinho, Syrah und diversen weiteren Rebsorten.

Rubinrot mit mittlerer Transparenz, das Bukett zeigt eine leicht staubige Frucht aus der Kirsch- / Johannisbeerecke, dezent großholzig. Gaumal dann Staubkirsche nebst etwas Blutorange, prägnante Säure, dezent großholzig, Kies und Graphit als Basis. Langer Nachhall mit Kirschfokussierung bei guter Säurestruktur.

Soweit ein durchaus schöner Zechwein, mehr aber auch nicht; ich sehe eigentlich keine Notwendigkeit diesen Wein so weit von der Insel bis aufs Festland zu schippern…

Meine Wertung: Nachkauf 1 von 3, Gesamt 16 von 25

9. Wein: 2017er Pinot noir – Schistes – Collines-Rhodaniennes IGP, Jean-Luc Jamet, Rhône

Das Glas präsentiert ein Rubinrot mit mittlerer Transparenz, es riecht nach Waldkirschen, umgarnt von Egerlingen. Geschmacklich dann erstmal heller Tabak, dann wieder Egerlinge, erst danach Waldkirschen und ein paar Himbeerchen, relativ kantige Säure, kühle Mineralik mit Schieferanklängen. Der lange Schiefernachhall transportiert dann auch einiges an Waldaromen bis ins Finale.

Recht ausgewogen wirkender Pinot, bei dem bodenmäßig auch klar das drin ist, was vorne draufsteht; man sollte an der Rhône mehr von dieser Sorte anbauen (soweit das klimatisch noch zielführend ist…)

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 18 von 25

Epilog: wie meistens, gab’s auch diesmal was zum Ausklang:

Wein C: (2019er) [Cuvée] – Marius – brut nature – Champagne [AOP], Yannick Prevoteau, Champagne

Hier handelt es sich um eine Cuvée aus 33 % Chardonnay, 33 % Pinot Meunier und 34 % Pinot noir, die Lot-Nr. lautet LT0319, weshalb ich „2019“ zur Unterscheidbarkeit als Referenzjahr gewählt habe, nähere Angaben zur zeitlichen Einordnung gibt es auf der Flasche leider nicht.

Farblich ein sehr helles Lachsrosa, feiner Blubber mit Ausdauer. Fürs Näschen gibt’s hellrote Frucht mit Granatapfel und etwas Himbeere sowie mit Luft auch rotem Bergapfel, dezenter Anflug von Brioche. Am Gaumen geht das so weiter, sehr samtiger Charakter, gut ausgebildete Säure, die aber etwas hilflos erscheint, gut strukturiertes Kalkbett. Abgangsseitig dann eine samtene Rotfrucht, hier ist die Säure etwas prominenter plaziert, im Finale wirkt die Frucht dann etwas kitschig.

Stellenweise zeigt sich die Frucht von einer eher künstlichen Seite, ansonsten eine gute Balance zwischen Frische und Eleganz, ist so eine Art Mainstreamer, der zum ab-Hof-Preis von 23,5 Euronen echt ok ist (mich aber dennoch nicht in die Nachkaufecke lockt), die in D in etwa aufgerufenen 35 Euronen ist er m.E. aber nicht wert.

Meine Wertung: Nachkauf 1 von 3, Gesamt 18 von 25

Wein D: 2017er [Moscatel] – Telmo Rodríguez – D.O. Málaga, Molino Real Mountain Wine, Málaga, Andalucía

Visuell ein leuchtendes Goldgelb, riecht nach Aprikose mit Minze und Nachtkerze. Am Gaumen eine deutliche wie dickliche Süße, die das zuckerhaltige Steinobst umgibt, eher moderate Säure, lehmige Basis. Dann ein mehrminütiger Abgang mit öligen Pfirsicharomen, begleitet von ein paar Kräutern wie Minze und Salbei.

Aromatisch ist das durchaus schön, aber es fehlt (mir) einfach eklatant an Säure, daher kein Nachkaufaspirant für mich, auch wenn der Wein objektiv gesehen durchaus höherqualitativ einzustufen ist.

Meine Wertung: Nachkauf 1 von 3, Gesamt 19 von 25

Fazit:

Ich fand das Thema einfallsreich und gelungen zugleich, die Weine waren allesamt erfreulich, auch wenn sie nicht durchgehend meinem Beuteschema entsprochen haben, was aber wiederum nix Schlimmes ist. Insgesamt auch von den Teilnehmern her eine der klar besseren Runden in der nunmehr schon recht langjährigen Geschichte der Münchner Blindtasting-Runden.

Nicht zu vergessen mein Dank an den Gastgeber für das perfekte Setting incl. Verköstigung, ich komme gerne wieder!

Hinterlasse einen Kommentar