Die Bars von Athen

Ich habe immer noch nicht alle Weinchen beschrieben, die während unseres Griechenland-Trips den Weg in unsere Gläser gefunden haben, vor allem diejenigen, die wir nur glasweise in Weinbars in Athen genossen haben. Die interessantesten Lokalitäten dieser Art findet man übrigens nicht im kulturellen (und touristischen) Zentrum Athens, also Plaka, Monastiraki, Psirri etc., sondern z.B. im Bezirk Neapoli, das ist nördlich des Lykabēttós-Hügels und bietet den Nichtweininteressierten eigentlich gar nichts, Touridichte daher nahe Null. Herausragend für Freunde der etwas schrägeren Weine ist m.E. das

Τανινη αγαπη μου (Tanini agapi mou = Tannin, meine Liebe), Ippokratous 91, 106 80 Athen

In dieser quirligen Weinbar, in der 7 (sichtbare) Bedienstete hochfrequent die Weine verteilen, ist das Zentrum der Ausschank, der wiederum von einer 50 l-Stickstoff-Druckgasflasche dominiert wird (müßte gemäß dem grünen Farbcode so sein, sofern das in GR nicht anders gehandhabt wird). Diese wird dazu benötigt, mit einem anscheinend selbst umgebauten Coravin mit Schlauchanschluß aus den Flaschen den begehrten Saft abzuzapfen, es gibt nämlich die allermeisten Weine auch glasweise. Dazu wird einem eine Weinkarte im A3-Format mit den gut 100 ausschließlich griechischen Weinen (die alle aus der nichtkonventionellen Ecke stammen) sowie ein Dreikant-Lineal zur besseren Lesbarkeit hingelegt, ein Farbcode liefert Hinweise, ob der jeweilige Wein biodyn, orange, schwefelfrei, aus der Amphore etc. ist. Da die Angestellten dort absolut keine ruhige Kugel geschoben haben, habe es mir verkniffen, zwecks Foto nach den Flaschen zu fragen, deshalb habe ich hier auf Netzware zurückgegriffen.

1. Wein: 2022er [Savvatiano] – Yomatari – PétNat – PGI Attika, Georgas Family, Attika

Apfelsafttrüb im Glas, sehr wenig Blubber, stark mostig riechend, quasi übermostig, leichter Stinker. Gaumal dann süßliche Bitterorange mit etwas Orangenöl und einem Hauch Cointreau, potente, aber nicht vorlaute Säure, Kreide als Basis. Sehr langer, orangenöliger Abgang ohne jede Schwere.

Höchst eigener PétNat, von der Süße-Säure-Strutur her fast wie ein PétNat-Kabi, ober ohne jeglichen freien Zucker. Gewöhnungsbedürftig, aber goil…

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 21 von 25

2. Wein: 2022er [Cuvée] – Migma – Petnat – Varietal wine, Chatzivaritis, Makedonia

Dies ist übrigens eine Cuvée aus 50 % Muscat und 50 % Malagousia.

Für die Optik ein trübes Messing, eher wenig Blubber, nasal gibt’s gelbe Äpfel und Blumen, etwas Zitronenalbedo noch. Gaumal dann getrocknete Zitronenringe, etwas gut integrierte Restsüße, viel Albedo, schön austarierte Säure, die den leicht restsüßen Charakter aber nicht in Frage stellt; Kreide als Basis. Mehrminütiger Nachhall mit Focus auf den kandierten Zitronenringen bzw. Zitronat, kein Trinkhemmnis durch die Restsüße.

Könnte stilistisch irgendwie auch von der Mosel kommen, soweit man das bei einem PétNat sagen kann, schöner unkomplizierter Sommerzischer, dabei aber nicht banal, ich bin letztlich dann aber doch lieber auf der trockeneren Seite unterwegs.

Meine Wertung: Nachkauf 1 von 3, Gesamt 18 von 25

3. Wein: 2022er Begleri – Litàni – dry – PGI Ikaria, Afianes Winery, Vorio Egeo

Begleri ist übrigens das griechische Synonym einer Rebsorte türkischen Ursprungs mit dem Hauptnamen Beylerce…

Trübes Strohgelb, nasal heller Apfelmost mit leichter Süßeankündigung in Holunderblütenart. Schmeckt dann aber knarztrocken, hier kommen noch ein paar Mandarinenschalen dazu, viel Kreide macht den Wein sehr geschmeidig, softe, aber potente Säure, je Luft desto Salz. Vom Nachhall hat man ziemlich lange was, eine kreidedurchsetzte, sehr flaumige Yuzu dominiert bis ins Finale.

Sehr geschmeidiger, nicht oranger Orange mit einiger trockener Süße, welche ohne Essen ein bißchen bremsend wirkt, eher zu gegrillten Scampis oder so verwenden.

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 19 von 25

4. Wein: 2022er Chlori – CW Lefkada, Siflogo Winery, Iónia Nisiá

Fürs Auge ein leicht getrübtes Hellorange im Glas, riecht nach anfermentierten Mandarinenzesten plus einer leicht vegetabilen Kante sowie einem Hauch Linoleum. Am Gaumen kommt eine alkfreie Orangenlikörnote dazu, geschmeidige wie prägnante Säure, roterdige Basis. Auch der sehr lange Nachhall reitet dann exzessiv auf der orangen Agrumenseite herum, hier eine gehörige Spannung zwischen Säure und Gerbstoffen.

Sehr schöner Orange mit einigen Kanten, der trotz der relativen Geschmeidigkeit ungehindert und sehr erfrischend dahinläuft.

Meine Wertung: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 22 von 25

Einen Tag später haben wir quasi im Vorbeigehen eine Weinbar mehr im Zentrum Athens aufgesucht, eher gediegen als flippig, dennoch gab’s auch hier ein paar nette Sachen:

Oinoscent, Voulis 45-47, 105 57 Athen

5. Wein: 2022er Skiadopoulo – CW Zakynthos, Antonopoulos Vineyards, Iónia Nisiá

Leicht ins Bronze gehendes Strohgelb, nasal gibt’s jugendliche Exotik in Form von Rambutan, Jackfruit und Pitahaya, zum Glück fernab der Kitschseite. Am Gaumen dann eine deutliche, aber gut integrierte Extraktsüße, moderate, aber wirksame Säure, Kreide und Speckstein nebst etwas Kräutersalz als Basis, wobei die Salzfracht mit Luft signifikant zunimmt. Abgangsseitig gibt’s von Haus aus etwas mehr Salz, im Finale versucht die reife Rambutan etwas mehr nach vorne zu kommen.

Das Salz hilft diesem Wein, nicht in die mediterrane Breite abzusacken, kann mit etwas Reife sicher noch gut zulegen.

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 19 von 25

6. Wein: 2021er Assyrtiko-Athiri-Aidani – Santorini PDO, Artemis Karamolegos Winery, Kyklades

Leicht ins Messing gehendes Strohgelb, geruchlich gibt’s recht intensiv vorwiegend exotische, recht natürlich wirkende Frucht wie reife Kaktusfeige und Goldkiwi, dazu noch Albedo von Zitrone und Pomelo. Am Gaumen einerseits gleich etwas cremig wirkend, durch eine satte Salzfracht nebst potenter Säure gibt’s aber auf dem Fuße folgend einen ordentlichen Frischekick, fruchtseits reden wir hier von kräuterigen, gelben Agrumen, steinseitig einfach ein großer Salzgarten. Auch der ewig lange Abgang ist vom Salz geprägt, erstaunlicherweise wirkt das Ganze jedoch nicht austrocknend.

Ich liebe ja solche Salzsachen, großartige Interpretation dieses Mineralikstils.

Meine Wertung: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 22 von 25

Die dritte besuchte Weinbar liegt wieder in Neapoli, nicht weit entfernt von unserer ersten Station, hier ging’s wieder deutlich légerer zu, das Durchschnittsalter der Gäste wurde durch unsere Anwesenheit auch deutlich angehoben…

Warehouse, Valtetsiou 21, 106 80 Athen

7. Wein: 2022er Assyrtiko – Terra Nera – dry – PGI Cyclades, Artemis Karamolegos Winery, Kyklades

Ein sehr helles Messing im Glas, nasal eher verhalten mit exotischer Frucht wie roter Kaktusfeige, Rambutan und einem Hauch Hagebutte, mit Luft verstärkt sich der anfangs kaum vorhandene Salzhauch. Am Gaumen kommt die Frucht von Beginn an leicht gesalzen daher, auch ein Hauch Salzkaramell spielt mit, sehr klare Säure, dennoch ein bißchen flaumig, Kalk und Salz als Basis. Auch beim recht lange hallenden Nachhall spielt das Salz die erste Geige.

Die Salzigkeit ist hier zwar im Vergleich zu so manch anderem Santorini eher dezent ausgefallen, um den Wein klar zu charakterisieren, reicht es allemal. Sehr schöner „Easy drinker“ mit einem gewissen Anspruch, dürfte mit ein paar Jahren Lager noch gut zulegen

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 19 von 25

8. Wein: 2022er Vidiano Assyrtiko – Sole – Wine of Greece, Biblia Chora, Makedonia

Visuell ein helleres Goldgelb, in der Nase eine recht klare Exotik mit Kaktusfeige und Guave, geschmacklich ebenso in erster Linie Exotik, hier auch ein Hauch Lychee, einiges an gelb-grüner Zitrus-Albedo, zwar deutliche, aber relativ geschmeidige Säure, untendrunter Talcum und Kreide als Basis. Ordentlich langer Abgang, das Finale gehört der Albedo-Front.

Als „frisch-geschmeidig“ und ausreichend weit von der Breitegrenze entfernt würde ich das charakterisieren, durchaus schön, aber -zumindest aktuell- nicht unbedingt für den Mehrfacheinsatz prädestiniert.

Meine Wertung: Nachkauf 1 von 3, Gesamt 17 von 25

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