Schaum von der Saar – Relaunch

Gestern gab’s ein bißchen was zu feiern, dazu habe ich meine letzte Flasche des

2009er Riesling – 1900 – brut – Deutscher Sekt, Van Volxem, Saar

aufgemacht. Leider war ja der Nachnachfolgejahrgang nicht ganz so gut, deshalb waren Wehmut und Hoffnung hier besonders hoch. Aber mal sehen, was die weiteren Jahrgänge dieses Riesling-Sekts noch so bringen. Aber jetzt mal zum 09er:

Das Glas wird von einem recht dichten Honiggelb ausgefüllt, der Blubber ist anfangs recht intensiv, aber nicht zu grob, hält auch im nicht angeschliffenen Glas sehr lange. In der Nase vom Fleck weg Saar-Agrumen in Form von Blutorangen, Kumquat, etwas Minneloa, leicht auch sehr reife Zanzibar-Ananas und etwas Rosmarinhonig, die Hefe hält sich dezent, aber deutlich im Hintergrund. Geschmacklich wird hier auch auf recht opulente Weise klar gemacht, wo dieser Riesling her kommt, die Blutorange bringt ein recht potentes Cointreau-Bitterchen mit, Frucht- und Kohlensäure arbeiten auf Hochtouren, um den exzessiven Fruchtextrakt im Zaum zu halten, was auch perfekt gelingt, der Saar-Schiefer ist ebenfalls nicht „überschmeckbar“. Der Nachhall halt dick und frisch zugleich für mehrere Minuten, im Finale bleiben Schiefer und Bitterchen in schönster Form präsent.

Nach wie vor ganz großes, deutsches Schäumer-Kino; wenn’s Riesling in der Champagne gäbe, wäre der da kaum besser vinifizierbar, würde ich behaupten wollen; und die prägnante Mineralik bekäme man dort aufgrund der anderen Böden sowieso nicht hin. Hätte übrigens noch ordentlich Potential, wenn man denn noch einen hätte, jedenfalls weist der „1900“ noch keinerlei rieslingtypische Alterungsnoten in Form von Petrol und / oder Phenol etc. auf.

Meine Wertung: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 23 von 25

Nachfolgend der Text der Verkostung vom 21. Dezember 2016:

Heute ist zwar eigentlich nur ein stinknormaler Mittwoch, aber dennoch haben wir uns zur vietnamesischen Ente diesmal was Prickeliges gegönnt:

2009er Riesling – 1900 – brut – Deutscher Sekt, Van Volxem, Saar

Zum „1900“ heißt es auf der Heimseite der Kellerei:

In der Zeit um 1900 war Deutscher Sekt außerordentlich hoch angesehen. In der Kaiserzeit fehlte er bei keinem festlichen Anlass. Er musste sich in keiner Weise hinter französischem Schaumwein der Champagne verstecken und wurde in den besten Restaurants und Luxushotels des Kaiserreichs kredenzt. Von dem herausragenden Ansehen der Schaumweine der Saar zeugen noch heute prächtige Villen und Weinschlösser, wie sie insbesondere in Saarburg und Serrig das Landschaftsbild prägen. Eines der Kennzeichen der damalig hochrangigen Sektkultur dieser Häuser war, dass die Grundweine ausschließlich aus besten Weinbergslagen stammten und –selbstverständlich nach klassischem Vorbild in der Flasche vergoren– über viele Jahre in den Kellern reifen durften, bevor sie von den Liebhabern genossen werden konnten. Eben diesem traditionellen Vorbild folgen wir auf Van Volxem mit unserem brut 1900, der aus den herrlich aromatischen Trauben der eher kühleren Seitentäler der Saar entstammt und nach der (selbstverständlich natürlichen) ersten Gärung im Holzfass seine zweite Gärung in der traditionell bauchigen Sektflasche über einen Zeitraum von bis zu 5 Jahren erfährt. Dies ist auch der Grund für seine aromatische Länge und außerordentlich feine Perlage. Die in den skelettreichen Schieferböden stehenden, teilweise wurzelechten Reben stammen zum Teil noch aus der Zeit um 1900, was neben Stilistik und Ausbaustil den Namen “1900 brut” erklärt. Wir bemühen uns, mit diesem von verführerischen reifen Fruchtaromen geprägten Spitzensekt von großer Dichte, Komplexität und seidig geschmeidiger Textur an die große Zeit der Saarsekte anzuknüpfen und freuen uns, dass er wieder in vielen der besten Restaurants des Landes eine fast schon in Vergessenheit geratene Kultur aufleben lässt.

Das war jetzt ein recht langes Zitat, aber nachdem ich es schon gekürzt hatte, habe ich das dann doch wieder rückgängig gemacht; der textliche Fluß war ‚raus und es war nicht mehr „aus einem Guß“. Ergänzend vielleicht noch, daß solch ein Sekt in der beschriebenen Epoche tatsächlich noch als „Deutscher Champagner“ bezeichnet werden durfte. Jetzt aber zum Wein bzw. Sekt:

Im Glas bereits ein für einen Schäumer recht ungewöhnliches, dichtes (Rosmarin-) Honiggelb, viele mittelfeine Bläschen, die nach dem Einschenken (ins Gabriel-Glas) eher langsam zusammenfallen und dann fein und beständig -auch ohne Moussierpunkt- weiterblubbern. In der Nase ein sehr intensives Zusammenspiel des typischen, steinig-zitrusfruchtigen Saar-Rieslings (konzentrierte Blutorangen und Grapefruit, reife Zanzibar-Ananas, mürber Apfel, Lindenblütenhonig) mit den krustigen Brotaromen aus der Hefe. Am Gaumen ebenfalls diese dichte, fast opulente Fruchtaromatik, die mit einer sehr belebenden Frische daherkommt, Frucht- und Kohlensäure sind hier sehr schön gemeinsam am Werk. Dazu die nicht aufdringliche, aber dennoch recht prägnante und etwas herbe Schiefermineralik, die auch einen Touch Teer mitbringt. Der Abgang ist bei aller Dichte von Frucht, Säure und Brizzel erfrischend und elegant zugleich.

Ich weiß nicht, ob es im Champagnerbereich von der Aromatik her was vergleichbares gibt, ich kenne jedenfalls nichts, was diese Kombination auch nur annähernd erreicht. Riesling hat halt eine komplett andere Aromatik als Chardonnay, Pinot Noir & Co., und der Boden ist ja auch durchgehend komplett anders, Schiefer gibt’s da ja eher nicht, soweit ich weiß, auch nicht als Beiwerk. Damit will ich diesen Riesling-Sekt nun gar nicht über die französische Konkurrenz stellen, aber eben auch nicht darunter. Ich sehe den „1900“ qualitativ auf Augenhöhe mit den wirklich guten Champagnern, von der Stilistik her ist er aber eine ganz eigene Klasse. Es wäre deshalb aus meiner Sicht schön, wenn der ambitionierte deutsche (Winzer-) Sekt wieder mal das Renomée erhalten könnte, welches dem des heutigen Champagners mindestens entspräche. Das wäre -insbesondere angesichts dieses Beispiels hier- absolut gerechtfertigt.

Meine Wertung: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 23 von 25

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