44. Schaumrunde in / um München

Sehr zu meiner Freude lautete das Thema der letzten Weinrunde -diesmal wieder etwas vor den Toren Münchens- „Weiß-gekelterte Champagner von kleinen, familiengeführten Produzenten“. Also nach der letzten Blubberrunde in Würzburg schon wieder Brause satt!

Prolog:

Zum Einstieg gab’s ebenfalls was perlendes, allerdings nicht aus der Champagne:

Schäumer A: oJ Chardonnay – Desiree – Blanc de Blancs – brut – Crémant du Jura AC, Domaine Désiré Petit, Jura

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Im Glas ein mittleres Strohgelb mit Messingeinschlag, relativ grobe Perlage mit guter Beständigkeit. In der Nase dicht und reif apfelig, ganz dezent Brioche. Am Gaumen ebenfalls reife Äpfel, wieder leicht Brioche, auch einige Gerbstoffe, dazu eine recht frische Säure sowie eine deutlich blaue Kalkspur. Der Abgang ist relativ lang mit nachhaltigem Prickel und ledrigen Äpfeln.

Kein hochkomplexer Schäumer, dafür aber mit einer super Struktur und einigem Charakter, sehr gutes PLV.

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 20 von 25

Drama:

1. Schäumer: (2013er) [Cuvée] – brut nature – Prémier cru – Champagne [AOP], Lacourte Godbillon, Champagne

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Dies ist eine Cuvée aus 50 % Pinot noir und 50 % Chardonnay, 80 % der Grundweine stammen aus 2013, 20 % Reserveweine, 5,5 Jahre Hefelager, Zero Dosage, Dégorgement am 08.10.2019.

Die Farbe erinnert an Bronze bzw. Rotguß, recht feine und beständige Perlage. Die Nase bekommt’s mit rotem Bergapfel, Johannisbeere und etwas Brioche zu tun. Am Gaumen dann weiße Tannine, leicht adstringierend, sehr straffe Säure, feinster Blubber, fruchtseitig finden sich hier sehr grüne, frische, fast beißende Äpfel ohne Plakativität, ergänzend Limette und Zitrone, als Gegenpart einiges an gelöschtem Kalk. Der Abgang ist sehr lang, sehr frisch, sehr kühl, sehr fordernd mit gelb-zitrischer Ausrichtung und gerbstoffigem Finale.

„Hat weder Druck noch Zug, sondern Schub“ kam als Bemerkung aus der Runde, was ich recht passend fand. Sehr klarer, straff-kühler Zero-Dosager mit -für mich- super Säurestruktur. Allerdings kein eleganter Schmeichler, hier muß man schon was „ab“ können.

Meine Wertung: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 22 von 25

2. Schäumer: oJ [Chardonnay] – Blanc de Blancs – brut – Grand cru – Champagne [AOP], Pierre Callot, Champagne

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Die Farbe ist goldgelb mit leichtem Messingeinschlag, relativ viel und gröberer Blubber. In der Nase intensiv reife Äpfel, wenig Hefe, etwas Säuredampf. Schmeckt dann nach deutlichem Kernobstextrakt plus etwas Granatapfel und Johannisbeere, deutliche Fruchtsüße -auch der etwas freieren Natur-, sehr schaumig-cremig, mineralischerseits etwas Speckstein und was Blaues. Abgangsmäßig deutlich extraktsüß mit reifen Früchten, beim Finale taucht ein kleines Camparibitterchen auf.

Interessant ist hier für mich vor allem die Präsenz von roter Frucht bei einem Blanc de Blancs, ansonsten für meinen Geschmack aber schon etwas zu sehr auf der klebrigen Seite und im übrigen eher beliebig.

Meine Wertung: Nachkauf 1 von 3, Gesamt 17 von 25

3. Schäumer: 2011er [Chardonnay] – Millésime – Blanc de Blancs – brut – Prémier cru – Champagne [AOC], Monmarthe, Champagne

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Die Grundweine wurden 6 Monate in Eichenfässern ausgebaut, danach 6 Jahre Hefelager, Dosage von 7 g/l.

Die Farbe ist ein leuchtendes Goldgelb, eher wenig Blubber. Nasenmäßig gelbe Äpfel, Kaktusfeige und ein Hauch Banane, etwas Hefewürfel. Am Gaumen dann dichte Gelbfrucht wieder mit Apfel, Kaktusfeige und Banane, erneut Hefeklotz, gut korrespondierende Säure, dennoch ein leichter Gaumenkleber. Beim ordentlich langen Abgang dominiert die Fruchtsüße mit Backapfelbetonung, deutliche Kalkspur.

Recht klassischer Schampus, dessen Restzucker zwar ganz gut eingebunden ist, mir persönlich ist er aber dennoch ein bißchen zu vorlaut.

Meine Wertung: Nachkauf 1 von 3, Gesamt 19 von 25

4. Schäumer: 2008er [Cuvée] – Millésime – brut – Grand cru – Champagne [AOC], Hugues Godmé, Champagne

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Hier haben wir es mit einer Cuvée aus 60 % Chardonnay (aus Verzeney und Verzy) sowie 40 % Pinot noir zu tun, 40 % der Grundweine wurden im Holzfaß ausgebaut, Dosage 4 g/l.

Im Glas ein deutliches Altgold mit leichtem, rötlichen Schimmer, mäßige Perlage, jedoch mit hoher Beständigkeit. Geruchlich zeigen sich Backäpfel und ein paar Rosinen, auch rote Johannisbeere, weiters Hefezopf und ein Hauch Leder. Geschmacklich dann deutlich gerbstoffig, die Äpfel sind schon ledrig, mit der kernigen Säure kommen auch fermentierte Zitronen und etwas Pomeranze mit, als Unterlage blaue Steine und ein braunes Bitterchen. Ordentlich langer und zitrischer Nachhall mit breiter Kalkspur, frisch, knackig, fordernd.

Sehr schöner, kantig-frischer Champagner mit recht eigenständiger und komplexer Aromatik, vereint die Gegensätze von Eleganz und Frechheit auf spannende Weise.

Meine Wertung: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 22 von 25

Intermezzo:

Zu Linguine à la Carbonara (oder wahlweise mit Gemüse) gab’s dann den

Wein B: 2006er [Barbera] – Decima Vendemmia – Vino rosso, Cascina Montagnola, Piemonte

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Diese Magnum ist anscheinend nicht offiziell käuflich zu erwerben, unser Gastgeber hat sie von der Winzerin geschenkt bekommen…

Im Glas ein dunkles Rubinrot mit leichter Braunfärbung, kaum transparent. Fürs Riechorgan gibt’s sehr dicke Frucht in Form einer Mischung von Dörrpflaumen und frischen roten Pflaumen sowie schwarzen Johannisbeeren, dazu etwas rote Paprika, Leder, leicht Tabak und ein bißchen UHU. Schmeckt nach recht extremem Fruchtextrakt, dem aber auch eine satte Säure entgegensteht, welche jegliche Machoallüren im Keim erstickt; das Holz ist zwar prägend, aber auch zurückhaltend, dann noch ein leichtes Chinin-Bitterchen und eine lehmig-kalkige Unterlage. Der Abgang ist ellenlang, super Balance zwischen Säure und Extrakt.

Wenn das nicht mein bester Barbera ever ist…

Meine Wertung: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 22 von 25

Des Dramas zweiter Teil:

5. Schäumer: (2015er) [Cuvée] – Platine – brut – Champagne [AOP], Nicolas Maillart, Champagne

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Dies ist eine Cuvée aus 63 % Pinot noir, 23 % Chardonnay und 14 % Pinot Meunier, 50 % der Grundweine stammen aus 2015, 50 % Reserveweine, 55 % der Weine wurden in Holzfässern spontanvergoren, 6 Monate Hefelager, Dosage 6 g/l, Dégorgement im Juli 2019.

Die Farbe ist zwiebelig, schöne, feine Perlage mit hoher Beständigkeit. Bukettmäßig gibt’s frischen Backapfel (sic!), dann roten Bergapfel sowie etwas Granatapfel, weiters Hefewürfel und Brioche. Geschmacklich zeigt sich der „Platine“ herb-gerbstoffig mit einigen weißen Tanninen und einer leichten, daraus resultierenden Adstringenz, herbe Hefe, knackige Säure, kalkig-schieferige Mineralik, wenig deutbare Frucht, dennoch einiger Extrakt, am ehesten erkenne ich Zitrus auf der orangen Seite. Der Abgang ist bei schöner Länge sehr frisch, die Mineralik dominiert.

Frisch und trotz einiger Komplexität sowie teilweiser Fruchtabstinenz recht unkompliziert; schön, aber etwas rabaukenhaft.

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 20 von 25

6. Schäumer: oJ [Cuvée] – Sélection – brut – Champagne [AOP], Janisson Baradon, Champagne

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Hier eine Cuvée aus 50 % Pinot noir und 50 % Chardonnay, 30 % Reserveweine aus Holzfässern, 3 Jahre Hefelager.

Messingfarben im Glas, mäßige Perlage mit guter Beständigkeit; für die Nase gibt’s Apfel und Quitte, auch Johannisbeere, dazu gelöschten Kalk und etwas Brioche. Am Gaumen ist das Kernobst leicht gerbstoffumwabert, weiters etwas grüne Walnuß incl. dazugehörigem Bitterchen, super Säure mit mitgeschleppter Limette, blaue Kalkspur. Der sehr lange Abgang weist eine gewisse Unreife auf, wirkt dadurch frisch-kantig, leicht bitteres Finale.

Frisch-kantiger Schampus mit eigenem Charakter, vielleicht einen Tick zuviel Kante auf der bitteren Seite.

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 21 von 25

7. Schäumer: 2008er Cuvée Angéline – Millésime – brut – Prémier cru – Champagne [AOC], J. Lasalle, Champagne

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Dies ist eine Cuvée aus 60 % Pinot noir und 40 % Chardonnay, 7 Jahre Hefelager, Dosage 8 g/l.

Die Farbe ist ein Gold- bis Messinggelb, kaum Perlage, jedoch mit hoher Nachhaltigkeit. Bukettseitig gibt’s wenig Apfel und Mirabelle, dafür deutlich Brioche und etwas Kellertreppe. Am Gaumen ist die Frucht etwas im Blumentopf vergraben, leicht malzig, erfrischende Säure, eher wenig Schaum; die Mineralik kommt mit etwas Speckstein und schmutzigem Kalk daher, aus der vermuteten Holzseite resultieren etwas Nougat und altes Leder. Der Abgang hat eine schöne Länge, wirkt etwas überreif, leichte Animalik.

Wirkt wie ein klasse Schäumer mit leichten Altersfehlern, die aber durchaus charmant rüberkommen. Um den vom Spender genannten Beschaffungspreis durchaus attraktiv, bei den aktuellen Kursen um die 80 Euronen je Flasche allerdings für meine Begriffe mittlerweile zu ambitioniert bepreist.

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 21 von 25

8. Schäumer: oJ [Chenin blanc] – J. de Villaret – brut – Crémant de Loire AC, Caves Elisabeth, Loire

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Hier ein helles Messing mit geringer Blubberei im Glas. Bukettmäßig gibt’s Hansaplast, Dosenchampignons, Keller mit Lehmboden und ein paar alte Äpfel. Der Geschmack wird von schmutzigen gelben Äpfeln dominiert, dazu etwas vulkanische Mineralik, Baumschwamm und kontaminierter Kalk, ein Hauch Epoisses, gut moderierende Säure. Der Nachhall hallt recht lang, wirkt aber irgendwie recht schmutzig.

Komisch kam mir dieser Pirat schon vor, aber ich dachte einfach, daß es eben auch „komische“ Champagner gibt. Dabei waren die ganzen kleinen Fehler, die dieser Supermarkt-Crémant so hat, gar nicht mal wirklich abstoßend, sondern allenfalls „interessant“. Für den Preis deutlich < 10 Euronen zwar gar nicht mal so schlecht, ein Nachkaufreflex ploppt bei mir aber nicht auf.

Meine Wertung: Nachkauf 1 von 3, Gesamt 16 von 25

Epilog:

Zum Abschluß noch was Süßes…

Wein C: oJ [Ugni blanc] – Très vieux Pineau des Charentes – Blanc – Pineau des Charentes AC, Famille Estève, Cognac

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Im Glas haselnußbraun. Süß-nussig-likörige Nase mit etwas Bitterorange und einem Hauch Blumentopf. Am Gaumen dunkler Waldhonig, leichte, aber prägende Cognacnote, weiters Backapfellikör (wenn’s sowas gäbe), samtiger Extrakt, gut moderierende Säure. Sehr langer Abgang, warm und irgendwie kühl zugleich, schmatzige Cognac-Assoziation ohne Alk-Druck.

Ganz was Neues für mich, bewegt sich irgendwo zwischen Cognac und einem Vino liquoroso aus Norditalien, macht deutlich Freude!

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 22 von 25

Ergebnis:

Von meinen Notizen habe ich dann bei der Gesamtbewertung der Wettbewerbs-Brausen folgende Rangfolge abgeleitet:

Platz 1  2008er Millésime – brut – Grand cru, Hugues Godmé

Platz 2  (2013er) Brut nature – Prémier cru, Lacourte Godbillon

Platz 3  2008er Cuvée Angéline – Millésime – brut – Prémier cru, J. Lasalle

Über die Wertungen aller Teilnehmer ergab sich dann folgendes Bild:

Platz 1  2008er Millésime – brut – Grand cru, Hugues Godmé (15 Pkt.)

Platz 2  2008er Cuvée Angéline – Millésime – brut – Prémier cru, J. Lasalle (14 Pkt.)

Platz 3  (2013er) Brut nature – Prémier cru, Lacourte Godbillon (6 Pkt.)

Insgesamt war das Rennen ganz vorne also recht eng, mein eingebrachter brut nature-Schäumer war wohl ein bißchen zu „Hardcore“ für eine höhere Akzeptanz im Gesamtranking; ich war dennoch überrascht, daß er schlußendlich doch auf dem Treppchen stand. In meiner persönlichen Bewertung war zwischen Platz 1 und 2 fast kein Platz, ich fand beide extrem schön, fühlte mich aber bei dem Blubberwasser von Hugues Godmé dann doch einen kleinen Tick wohler.

Fazit:

In kurzer Folge nochmals eine sehr schöne Schaumparty mit einigen ziemlich guten Sachen; nicht zu vergessen der Barbera, der für mich nun mit deutlichem Abstand die Spitze der von mir bisher probierten Vertreter dieser Rebsorte darstellt.

Schlußendlich vielen Dank an unseren Gastgeber, auch und gerade für das passende wie excellente Catering, weiters auch an alle Rundenteilnehmer, von denen keiner die Nase hochgehalten hat, sondern einfach mit Liebe zum Wein und den fundierten Erfahrungen daraus Spaß gehabt und verbreitet hat.

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