Typisch Domherr?

Ich habe mir anläßlich einer Diskussion über die Weine des Weinguts Später-Veit sowie der im Weinforum daraus initiierten, gemeinsamen Verkostung eines Spätburgunders des Guts (welche diesen Freitag stattfinden soll) mal ein Probepaket bestellt, in dem auch folgender Wein enthalten war:

2016er Riesling – Piesporter Domherr – Reserve – trocken – Spätlese – Pw, Später-Veit, Mosel

Aufgrund der höchst kontroversen Diskussion auch um die Frage, wie (lagen-) typisch die Weine dieses Weinguts denn nun sind (auch wenn es hier mehr ums „Piesporter Goldtröpfchen“ ging), habe ich nun auch die erste Flasche meines Kartönchens geköpft, um mich mit meiner Meinung dazu ein bißchen einnorden zu können:

Farblich ein leuchtendes Goldgelb, geruchlich zeigt sich anfangs eher verhalten Zitronenkonfekt mit etwas Kaktusfeige, leichte Verjus-Anmutung, mit Luft kommen auch ein paar Mirabellen dazu. Geschmacklich ist die genannte Frucht erst elegant gebremst unterwegs, nach gut einer halben Stunde ploppt auch hier unaufdringliches Steinobst auf; die zwar deutliche, aber doch recht zahme Säure schleppt einen Hauch Mandel bzw. „trockenes Marzipan“ mit, was zur weingutsseitig beschriebenen, leichten Cremigkeit führt; steinseitig eher unauffällig, es ist was leicht Kühles da, ist jedoch ziemlich inert, mit noch mehr Luft macht sich dann auch ein fast chabliseskes, grünliches Holzaroma bemerkbar. Der Abgang ist von ordentlicher Länge, flaut aber relativ schnell ab, um sich dann auf filigranem Niveau ins Finale zu retten, ist fast der fruchtigste Teil des Ganzen.

Wenn das tatsächlich sehr lagentypisch sein sollte (hatte noch nie einen Domherrn im Glas), dann wäre der Domherr ein recht mild-gescheidiger Geselle, um nicht „aalglatt“ zu sagen. Jedenfalls ist das nicht „typisch Mosel“ für mich, auch nicht in trocken. Das ist zwar jetzt nix Schlimmes aus meiner Sicht (für andere Forumsmitglieder schon), aber der Wein ist für mich doch eher schwer einzuordnen, und da er zumindest anfangs praktisch keine Ecken und / oder Kanten aufweist, kann ich ihm auch keine besonderen Solitär-Qualitäten zuschreiben. Zu den heute von den Youngsters gewünschten und selbst gemachten Chicken-Nuggets paßte das durchaus gut, aber da hätten ca. drölftausend andere und weniger hoch bepreiste Weine auch gut bis besser dazu gepaßt. Deshalb: irgendwie schon ganz schön und ohne jegliche Störgrößen, aber mehr auch nicht. Dennoch aufgrund des späten Chablis-Ausblicks heute immerhin…

Meine Wertung am ersten Tag: Nachkauf 1 von 3, Gesamt 18 von 25

Nachtrag nach 24 Stunden mit Luft: heute nasal vom Fleck weg etwas intensiver, die Zitronenzesten zeigen sich dennoch eher elegant, dazu ein Schlag Katzenpipi, der aber beim zweiten Reinschnuppern wieder weg ist. Am Gaumen heute deutlich frischer und auch zumindest etwas „moseliger“ als gestern, hier eher Yuzu mit leicht fermentierten Anteilen denn Zitrone, deutliche und nicht mehr so verhaltene Säure, relativ kühle Steinseite, welche jedoch nicht schiefert, sondern eher einen Hauch bitteres Moos im Gepäck hat. Auch der Abgang ist deutlich frischer, präsentiert aber im Finale ein etwas uncharmantes, grünliches Keller-Bitterchen.

Manche Eigenschaften finde ich heute schöner, andere -vor allem die, die neu dazugekommen sind- machen diese Fortschritte wieder zunichte, insgesamt leider ein Rückschritt.

Meine Wertung am zweiten Tag: Nachkauf 1 von 3, Gesamt 16 von 25

Hinterlasse einen Kommentar