Meedels 4

Nachdem „Meedels 3“ ja nun schon eine Weile her ist und ich genügend Zeit hatte, ein paar weitere Weine zu sammeln, die ganz oder zumindest zum größten Teil unter der Verantwortung von Winzerinnen entstanden sind, wurde es Zeit für den vierten Teil dieser Reihe. Vermutlich wird’s nicht der letzte sein, denn der Anteil der Weiblichkeit steigt in diesem Bereich erfreulicherweise ja immer noch an. Folgende schöne Sachen haben wir in einer entspannten Runde probiert, wobei dies wieder keine rein „nerdige“ Veranstaltung war, die bekennenden Weinfuzzies waren sogar klar in der Minderheit…

1. Wein: (2017er) [Cuvée] – Dis, „Vin secret“ – brut – Champagne [AOP], Françoise Bedel, Champagne

Die meisten kleinen Weinbaubetriebe in der Champagne verkaufen ihre Trauben an eines der großen Champagnerhäuser, die Familie Bedel geht schon seit langer Zeit einen komplett eigenständigen Weg. Françoise Bedel hat dann das Weingut bereits 1998 auf biodynamische Bewirtschaftung umgestellt. Zur Produktion ihrer Champagner verwendet sie ausschließlich die eigenen Trauben von ihren ca. 8 ha Rebflächen, davon ein für die Champagne untypisch hoher Anteil an Pinot Meunier, welcher im Vergleich zum Pinot noir als eher rustikal gilt und deshalb meist nur in geringerem Anteil verwendet wird, wenn überhaupt.

Dies hier ist jedenfalls eine Cuvée aus 95 % Pinot Meunier und 5 % Pinot noir, es wurden mehrheitlich Trauben aus dem Jahr 2017 verwendet, das Dégorgement fand im April 2021 nach 3 Jahren Hefelager statt.

Farblich weist ein leichter Rotstich schon die Verwendung roter Beeren hin, die Perlage ist mittelfein mit guter Ausdauer. Riecht nach rotem Bergapfel und weißen wie roten Johannisbeeren, leichter Hefewind. Am Gaumen kommt auch Granatapfel dazu, wirkt bruter als brut, sehr ausgewogene Säure, auch hier eher wenig Hefe, wirkt sehr elegant, dennoch ausreichend frisch. Auch der schön lange Nachhall betont in erster Linie die Rotfruchtigkeit in frisch-eleganter Weise.

Die meisten unserer Schaumgetränke sind ja mittlerweile knarztrocken, es steht also eher „brut nature“ oder zumindest „extra brut“ auf den Etiketten. Von diesem Champagner gibt es auch „extra brut“-Chargen, also gehe ich mal davon aus, daß sich der Restzucker tatsächlich oberhalb der 6-Gramm-Marke bewegt. Dieser ist aber vorbildlich integriert und wirkt nicht maskierend auf die Aromatik. Dennoch hätten wir (bzw. zumindest ich selbst) mit noch weniger Zucker wahrscheinlich noch ein bißchen mehr Spaß gehabt.

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 20 von 25

2. Wein: 2016er Riesling – Westhofener Morstein – trocken – Qw, K. Wechsler, Rheinhessen

Katharina Wechsler hat nicht einfach so den elterlichen Betrieb übernommen, eigentlich hatte sie dem elterlichen Weingut schon den Rücken gekehrt und arbeitete nach Ihrem Soziologie- und Politikstudium in Berlin. Erst 2009 kehrte sie nach 11 Jahren Abwesenheit nach Westhofen zurück und gestaltete den einst reinen Faßweinbetrieb zu einem Flaschenweinbetrieb um, nachdem sie mit Anfang 30 u.a. beim regionalen Granden Klaus-Peter Keller ihre Ausbildung zur Winzerin abgeschlossen hatte. Heute bewirtschaftet sie ca. 17 Hektar Weingärten in Westhofen, darunter beste Lagen wie Kirchspiel und Morstein. Besonders stolz ist sie aber auf ihre Monopollage Westhofener Benn, die über Südausrichtung und teilweise über 50 Jahre alte Rieslingreben verfügt.

Das Glas präsentiert sich mit Goldgelb bis Schwefel, nasal wirkt der Wein zuerst flintig-erdig, dann kommen Ananaskonzentrat und Uglizesten auf. Am Gaumen frisch und gleichzeitig erdig wirkend, kantige und gleichzeitig schmelzige Säure, der mineralische Unterbau besteht aus blauen Steine mit Matsch, sehr langer Abgang mit Betonung von Zitrone und Ugli.

Wenn man von Weinen aus dieser Lage spricht, wird häufig der Begriff „Morstein-Dreck“ bemüht, den ich für mich nicht so richtig fassen kann, weil ich ehrlich gesagt nicht definieren könnte, wie sich der Dreck des Morsteins von dem von Aulerde, Brunnenhäuschen, Kirchspiel oder Benn unterscheidet, zumal die Lage ja mit gesamt 180 ha ziemlich groß ist. Aber den „Dreck“ an sich spürt man schon in höchst angenehmer Weise, wichtiger für mich ist aber diese klare Differenzierung der Fruchtaromatik und die wunderbar ausbalancierte Säure. Großes, durchaus GG-würdiges Riesling-Kino.

Meine Wertung: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 22 von 25

3. Wein: 2020er Sortenallerlei – [Golser Fürstliches Prädium] – Koreaa – Bio-Wein aus Österreich, Judith Beck, Neusiedlersee

Judith Beck hat den Weg zur Übernahme des elterlichen Betrieb erst eingeschlagen, nachdem Sie während eines Germanistik- und Publizistik-Studiums festgestellt hat, daß das so gar nichts für sie ist und sie dann doch an die Weinbauschule gegangen ist. Nach einiger Zeit im Ausland begann dann ab ca. 2001 die Übernahme der Verantwortung im elterlichen Betrieb, welche in 2004 abgeschlossen war. Relativ schnell erfolgte dann die Umstellung auf biodynamischen Weinbau sowie die Verdreifachung der Rebfläche auf gut 15 ha.

Der probierte Wein ist ein Gemischter Satz aus Grüner Veltliner, Scheurebe, Weißburgunder, Neuburger, Welschriesling, Zweigelt und noch einigen mehr. Die Trauben wurden mit Hand gelesen, dann einige Tage Mazeration, Pressung und Spontanvergärung in alten Fässern, Ausbau für ca. 6 Monate auf der gesamten Hefe. Laut Auskunft aus dem Gut wird der offizielle Riedenname von den Golsern seit den 1950er Jahren kaum mehr verwendet, stattdessen wird die Riede umgangssprachlich nur „Korea“ genannt.

Farblich ein trübes Apricot, fürs Näschen gibt’s Apfelmost und Lindenblütenhonig, auch Marille, etwas Pulpe. Gaumal dann zuerst samtige Gerbstoffe, ebenso samtige und doch kernige Säure, fluffige Kreidebasis, sehr langer geschmeidiger Abgang.

Auch wenn dieser Wein nicht in der „Bambule!“-Reihe des Guts untergebracht ist, welche die „offiziellen“ Naturweine der Winzerin kennzeichnet, bin ich auch hier gedanklich auf der Naturspur, aber eher bei „Saufnaturwein“ im besten Sinne. Spaß mit Anspruch, auch für Ungeübte sehr gut geeignet.

Meine Wertung: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 19 von 25

4. Wein: 2018er [Gemischter Satz] – Arcese – Vino bianco, Bera Vittorio e Figli, Piemonte

Alessandra Bera ist zur Zeit die treibende Kraft des Familienweinguts in Canelli, nahe Asti, welches 1758 vom Templerorden der Malteser gekauft wurde. Ihr Bruder Gian Luigi sowie ihr Vater Vittorio sind mit von der Partie, das „Gesicht nach außen“ ist aber klar weiblich.

Hier handelt es sich um einen gemischten Satz aus hauptsächlich Arneis und Cortese, was für die Gegend um Monferrato anscheinend nicht unüblich ist, in diesem Fall anscheinend noch ergänzt um die Sorten Favorita und Sauvignon blanc; „Arcese“ ist ein Wortspiel aus den erstgenannten Rebsorten.

Hier zeigt sich ein trübes Apricot, deutliche CO2-Entwicklung. Das Riechorgan erreicht als Erstes Orangenalbedo, dann Bleistift und Koriandersaat. Schmeckt dann etwas nach Krautwickel, wieder Albedo, auch von der Grapefruit, samtige und doch straffe Säure, weiters noch Berghütte und Kellerstaub. Der ziemlich lange Abgang ist dann auch recht straff bzw. fordernd-kantig, die Agrumen wirken zwar etwas ruppig, aber Spaß macht das trotzdem (oder gerade deswegen?)

Dies ist nun ein recht eigenständiger Naturwein, zwar etwas gewöhnungsbedürftig, aber wenn man sich erst mal ein bißchen eingetrunken hat, will man plötzlich mehr davon (zumindest ging’s mir so).

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 20 von 25

5. Wein: 2019er Falanghina – Meraviglia – IGP Puglia, Valentina Passalacqua, Puglia

Im Falle von Valentina Passalacquas weingeschichtlicher Entwicklung steht ein größerer Landkauf ihrer Familie in den 70er Jahren am Anfang, welcher jedoch schwer zu bewirtschaften war, weshalb das Land lange nur zu Weidezwecken genutzt wurde. Gegen 2000 wurden von ihrem Vater erste Rebstöcke gepflanzt, die Trauben gingen jedoch komplett in eine örtliche Genossenschaft. Mit der Übernahme des Lands von Ihrem Vater verschreibt sie sich sehr schnell der Biodynamik und gründet 2011 das jetzige Weingut, in dem alle Erträge in eigene Flaschen finden.

Im Glas ein trübes Orange, für die Nase gibt’s stark fermentierte Mandarine, weißes Malz und Orangenhonig. Am Gaumen dann fast staubig, dennoch eine klar wirkende Säure, dagegen stehen etwas Tapenade und Bitterorange. Der Abgang wirkt erst etwas kurz, im Finale ploppt dann aber unerwartet nochmals die Bitterorange mit warmer, nicht brandiger Cointreau-Note auf.

Quasi ein „Orange-light“ mit seinen 10,5 Umdrehungen, wirkt auch streckenweise etwas filigran und hatte es etwas schwer gegenüber den voluminöseren Vorgängern. Dürfte vor allem als Solo-Wein auf der Terrasse seine Qualitäten ausspielen, ggf. auch erst nach längerer Öffnungszeit, aber dazu war der Wein zu schnell alle.

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 19 von 25

6. Wein: 2019er Otskhanuri – Rosé – dry, Gvantsa’s Wine, Imereti

Gvantsa Abuladse ist die jüngere Schwester von Baia Abuladse, von letzterer hatten wir schon einen Wein bei „Meedels 3“ im Glas. Die beiden Schwestern haben mit der Übernahme des elterlichen Guts nicht nur die Flaschenweinproduktion eingeführt, sondern sie haben ihre Weine auch außerhalb der Grenzen Georgiens etabliert. Während sich Baia um die Weiß- bzw. Orangeweine kümmert, verantwortet Gvantsa Rot und Rosé, weshalb auch ihr Name hier vorne auf der Flasche prangt. Es gibt auch noch den Bruder Giorgi, welcher Önologie studiert (oder bereits studierte?), aktuell gibt’s aber noch keinen Wein mit seinem Namen.

Schon die Klarglasflasche zeigt ein Kirsch- bis Ziegelrot mit höherer Transparenz, riecht nach Waldhimbeere mit Marzipan, weiters Granatapfel und Berghütte. Wirkt im Mund gleich recht staubig adstringierend, dann rote Pflaumen, ein klein bißchen Alk, schöne Säure, herber Glimmer als Basis. Zum Abschluß ein recht langer Nachhall, der den Wein gegenüber dem Bukett und Mundgefühl deutlich gereifter erscheinen läßt.

Das ist aktuell noch eine Art Gratwanderung zwischen Kitsch und Anspruch, allerdings doch deutlich mehr letzterer Seite zugewandt; ich könnte mir vorstellen, daß das mit zwei bis drei Jahren mehr in der Flasche noch aparter wird.

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 18 von 25

Nachtrag nach 48 Stunden mit Luft: nasal hat sich kaum was geändert, außer vielleicht, daß die Fruchtseite etwas mehr zum Sekundären hingewandert ist. Gaumal haben Staub und Alk leicht nachgelassen, die Frucht wandert hier in die entgegengesetzte Richtung zum Primären hin, bleibt aber weit von der Kitschgrenze entfernt. Beim Nachhall dagegen wieder ein Schritt zu höherer Reife incl. einem Hauch Lakritz. Nur kleine, aber durchaus eigene Änderungen, die insgesamt klar für den Wein sprechen.

7. Wein: 2018er Pinot noir – La Brute – Vin de France, Domaine de la Loue, Jura

Catherine Hannoun arbeitete vor ihrer Weinkarriere im Filmgeschäft und war Mitte der 2000er Jahre an der Produktion von Jonathan Nossiters Dokumentarfilm „Mondovino“ beteiligt, der die Vorgänge in der Weinindustrie thematisiert. Die Arbeit daran weckte ihre Passion für das Thema Wein, im Jahr 2008 zog sie ins französische Weinbaugebiet Jura und kaufte 2009 ihre ersten Parzellen und begann sofort mit der Umstellung auf biologische Bewirtschaftung. Mittlerweile nennt sie gut 3 ha Weinberge ihr eigen, kauft aber auch Trauben aus anderen Regionen wie dem Elsaß zu und produziert ausschließlich Naturweine.

Im Glas ein dunkleres Rubinrot mit mittlerer Transparenz, riecht nach Gutenberg-Klebestift auf dem Bauernhof, dann Kirschjoghurt. Geschmacklich dann sehr trocken bis staubig bzw. sandig, karamellig-kantige Süßkirsche, etwas Bohnerwachs, gut austarierte Säure, Speckstein und Röhrenglimmer. Schön langer Kleber-Wachs-Abgang.

Schöner Natur-Pinot, wenn auch an der Grenze zwischen schön und anstrengend; kurzzeitig hab ich mir sogar gedacht, daß ein klein bißchen Schwefel vielleicht doch ganz gut gewesen wäre. Das war ziemlich klar der polarisierendste Wein der Runde.

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 20 von 25

8. Wein: 2016er Timorasso – Il Montino – Colli Tortonesi DOC, La Colombera, Piemonte

Die Großeltern von Elisa Semino führten seit dem Jahr 1937 einen landwirtschaftlichen Betrieb in Vho, der Weinbau begann dort jedoch erst 1955, zuerst ausschließlich als Traubenproduzent. 1980 wurde dann der erste Wein unter dem Namen „La Colombera“ vermarktet, 1998 folgte dann die Beteiligung am Revival der damals fast ausgestorbenen Rebsorte Timorasso, welches 1986 durch Walter Massa eingeleitet wurde. Elisa Semino wollte ursprünglich Jura studieren, entschied sich dann aber doch für den Weinbau und belegte lieber Önologie. Die Leitung des mittlerweile 24 ha großen Guts erfolgte dann zusammen mit ihrem Vater, über die Jahre wurde „La Colombera“ jedoch mehr und mehr mit Elisas Bild verbunden, heute wird sie anerkennend die „Queen of Timorasso“ genannt.

Ein dunkles Messing begrüßt uns, das Bukett bietet viel zuckerfreien Honig mit leichter Kaki-Komponente. Schmeckmäßig dann sehr sekundäres und hoch flüchtiges Steinobst, leicht grünliches Holz, fluffige Säure, Kreide sowie gelöschter Kalk als Basis. Dann ein langer grün-gelber Abgang mit gerbstoffgeladener Frucht.

Auch wenn die VKN recht kurz gehalten ist, dies ist ein schlicht wunderbarer Timorasso mit einer sehr animierenden Säurestruktur, eigentlich ein Dickwein, aber einer mit sehr schlanken Schultern, kann man auch völlig ungebremst wegschlabbern, sogar als Solist.

Meine Wertung: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 22 von 25

Fazit: da ich selbst ja alle Weine bis auf einen ausgesucht habe (vielen Dank an den Spender des „Koreaa“), muß ich mich natürlich hüten, hier zuviel des Lobes hinsichtlich des Line-ups zu verbreiten. Ich hoffe aber dennoch, daß der Großteil den Teilnehmern nicht nur geschmeckt, sondern auch ein paar ganz neue Geschmackserlebnisse beschert hat. Ich kann aber wieder mal feststellen, daß Weine von Winzerinnen es in keinster Weise verdienen, belächelt zu werden. Wahrscheinlich ist es zumindest aktuell sogar so, daß „weiblicher Wein“ im Durchschnitt über alle konsumierten Weine spannender ist als „männlicher“, aber hauptsächlich deshalb, weil nach meiner Wahrnehmung in der Massenweinproduktion die Dominanz der Männer noch völlig ungebrochen ist. Wenn man aber nur die innovativen und engagierten Weinbaubetriebe in Betracht zieht, sehe ich zwar viele Unterschiede, jedoch nur in der Stilistik, nicht in der Qualität. Ich werd mal weiter für „Meedels 5“ sammeln…

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