18. (Not-) Weinrunde in München – Nachtrag

Letzten Freitag fand nun der zweite Teil des Themas „Italiens Outsider-Regionen“ im Rahmen der 18. Blindtastig-Runde in der Münchener Umgebung -genauer gesagt bei mir- statt. Fast wäre sie ganz ausgefallen, denn von den ursprünglich angemeldeten Teilnehmern blieben nur zwei übrig, der dafür vorgesehene Gastgeber fiel ebenfalls aus. Ob’s eine Epidemie war oder sonstwas, sei mal dahingestellt. Aus dem Bereich der Leute, die sich generell für das Thema interessieren, konnte dann noch jemand kurzfristig gewonnen werden, aus meinem privaten Umfeld kamen auch noch zwei Leute dazu und ich habe noch schnell mein Wohnzimmer in einen herzeigbaren Zustand versetzt, sodaß wir die Runde dann doch noch durchziehen konnten. Diesmal waren Weine aus dem Aostatal, Emilia Romagna, Lazio, Lombardei, Marken und Umbrien zugelassen. Da ich für die Teilnehmer aus meinem Umfeld die Fläschchen aus dem eigenen Keller entnommen habe, ich da aber regionsmäßig an meine Grenzen gestoßen bin und keine Zeit für irgendwelche Einkäufe mehr hatte, habe ich das Thema einfach eigenmächtig noch um eine Region erweitert…

Prolog:

Zur Begrüßung gab’s dann auch noch was aus bella Italia, ebenfalls aus keiner der ganz hippen Regionen dort und hier auch schon mal verkostet:

Wein A: 2013er Nosiola – Vigneti delle Dolomiti IGT, Pojer e Sandri, Trentino

Im Glas ein helles Goldgelb, geruchlich finde ich recht dichte Zitrusnoten auf der extraktreichen Seite, etwas Hefe, etwas Macadamia. Am Gaumen frisch gelbfruchtig auf der Kernobstseite, straffe, aber schön ausbalancierte Säure, dicht, aber doch leicht anmutend, dazu eine feine Kalksteinnote. Der Abgang wirkt bei aller Stoffigkeit ebenfalls schön leicht und hält recht lange an.

Interessanterweise kam mir der Nosiola im Vergleich zum letzten Jahr sogar noch etwas frischer vor. Die Nußaromatik ist nicht mehr so deutlich wie damals, dafür ist der Wein mittlerweile in sich doch stimmiger geworden. Für mich nach wie vor ein großer der einfacheren (Sauf-) Weine aus Norditalien.

Meine Wertung: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 18 von 25

Drama:

Nun die „Wettbewerbsweine“:

1. Wein: 2016er Petite Arvine – Valle d’Aosta DOP, Château Feuillet, Valle d’Aosta

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Im Glas ein eher helles Strohgelb, in der Nase nicht ganz reife Honigmelone, Lychee und Zitronenzesten. Am Gaumen fehlt die Melone, dafür gibt’s hier noch Pomelo und Pampelmuse, auch etwas Kaugummi. Die Säure ist eher moderat vertreten, was die Fruchtseite etwas breit wirken läßt. Der Abgang hat durchaus eine schöne Länge, die Frucht wirkt hier allerdings durch die sehr betonte Extraktsüße etwas arg vordergründig.

Dieser Petite Arvine wirkte auf mich auch aufgrund seiner leichten „Kaltvergärungsaromatik“ etwas anstrengend, auch die Säurestruktur ist eher Mittelklasse. Ob sich da mit etwas Reife noch was tun kann, weiß ich nicht, jedenfalls tut sich mit 24 Stunden Luft nicht viel, was den Eindruck signifikant verändert.

Meine Wertung: Nachkauf 1 von 3, Gesamt 15 von 25

2. Wein: 2013er Chardonnay – Valle d’Aosta DOP, Les Crêtes, Valle d’Aosta

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Die Farbe ist ein mittleres Goldgelb, für die Nase gibt’s frittierte Banane, ein bißchen was nussiges sowie frische Feige. Am Gaumen kommen auch etwas nicht ganz reife Mirabelle sowie Quitte dazu, das Ganze auf einem soliden Steinbett serviert. Die Säure ist zwar nicht im Übermaß vorhanden, was zusammen mit einer gewissen Hefigkeit für einen leicht cremigen Charakter sorgt, dennoch ist die Säurestruktur recht belebend und zieht den Wein damit etwas in die karge, aber nicht dünne Richtung. Der Abgang präsentiert nochmals die dichte Frucht verbunden mit einer leicht würzigen Note, bleibt aber konsequent auf der beschwingten Seite.

In meinen Augen ein sehr schön ausgewogener Stahl-Chardonnay, der durch die Vermeidung von Holz in dieser Dichteklasse wiederum nicht zu den typischen Rebsortenvertretern gehört.

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 19 von 25

3. Wein: 2016er [Cuvée] – Chiaretto – Valtenesi DOP, Cà Maiol, Lombardia

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Die Kellerei liegt im Grenzgebiet von Lombardei und Veneto und hat Lagen in beiden Regionen. Der Rosé selbst ist eine Cuvée aus Groppello, Marzemino, Sangiovese sowie Barbera und stammt gemäß der angegebenen DOP aus der Lombardei.

Die Farbe ist ein recht pinkes Pink, in der Nase Rambutan, Granatapfel und Himbeere, dabei leicht künstlich anmutend. Am Gaumen zeigt sich ein ähnlicher Fruchtkorb, die Früchte wirken aber dropsig-peppig (bzw. klebrig) auf mich. Die Säure ist deutlich, steht aber recht isoliert da und kann den Wein daher nicht auf die frische Seite holen. Der Abgang ist von mittlerer Länge, dabei fruchtig-süßlich und -für mich- wenig animierend.

Mit etwas zu Essen kann man den Wein zwar beschwerdefrei nebenher schlabbern (den größten Input nebenher hatte ich wohl mit diesem Wein), aber wirkliche Freude kommt leider nicht auf.

Meine Wertung: Nachkauf 1 von 3, Gesamt 13 von 25

4. Wein: 2012er [Cuvée] – Sacrisassi – Rosso – Friuli Colli Orientali DOC, Le Due Terre, Friuli-Venezia Giulia

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Dies ist eine Cuvée aus 50 % Refosco und 50 % Schioppettino.

Dieser Wein ist dunkel granatrot mit geringer Transparenz, geruchlich zeigen sich vorndran Polystyrol, Uhu und Aceton, dahinter Pflaumen und Staub, später auch Torf. Am Gaumen deutlich Tannine, etwas adstringierend, ebenfalls Staub, der sich aber mit etwas Zeit verzieht. Die oben genannte Chemie ist hier nicht ganz so präsent und läßt den Früchten wie Sauerkirsche, Acerola und etwas Grapefruit mehr Raum. Die Säure ist sehr schön balanciert, schafft aber keinen kompletten Ausgleich der Kräfte. Der Abgang ist lang und leicht warm, dabei leicht schmutzig-staubig, die Frucht bleibt hier im Hintergrund.

Ich hatte diesen Wein beim Händler vor gut 2 Jahren probiert und ich habe mich jetzt erst mal gewundert, warum ich damals begeistert über 20 Euronen für die Flasche ausgegeben habe. Ich bin ja niemand, der sich von abenteuerlichen Aromen gleich abschrecken läßt, aber in der verkosteten Form am Weinrundenabend kam ich mit viel Wohlwollen nur zu

Meine Wertung: Nachkauf 1 von 3, Gesamt 14 von 25

Da ich jedoch nicht weiß, wie lange der Wein damals beim Händler schon offen war, habe ich gestern -nach 3 Tagen mit Luft- nochmals probiert: Die ganze Chemie ist praktisch weg, die dichte Frucht in der Nase (Sauerkirsche, Brombeere, Pflaume) wird allenfalls noch von etwas Paraffin begleitet. Am Gaumen dann sehr geschmeidige Tannine, null Pelz, sehr saftige, dichte, dennoch leicht herbe Frucht, dezent süßliche Holznoten, wie z.B. Pfeifentabak, und die Säurestruktur macht mich nun auch vermehrt an. Der Abgang ist lang und warm, er bietet dabei die saftige Frucht nochmals mit ganz dezenter Würze an.

Beim ersten Teil eine Woche zuvor hatten wir auch so einen Kandidaten, der innerhalb von ein paar Tagen erstaunlich aufgedreht hat, auch wenn ich das leider nicht selbst probieren konnte (siehe die Kommentare dort). Aber so kann ich nun diese Art der Entwicklung selbst auch gut nachvollziehen. Punktemäßig macht der Wein einen bemerkenswerten Sprung nach oben:

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 20 von 25

5. Wein: 2013er Nebbiolo – Sfursat – 5 Stelle – Sforzato di Valtellina DOCG, Nino Negri, Lombardia

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Im Glas ein mittleres rubinrot mit mittlerer Transparenz, in der Nase Bitumen, Pflaume, etwas Rumtopf, dann noch Tabak und Leder. Am Gaumen deutliches Tannin mit leichtem Staubanteil, die Fruchtseite bietet Schwarzkirsche und Pflaume sowie leicht Blutorange. Das Holz offenbart sich in Form von Tabak, Vanille und Anis, herbe Steine gibt’s auch in nicht geringer Menge, dazu drückt die kernige Säure deutlich Frische in den gehaltvollen Wein. Der Abgang ist sehr lang und warm, hier wieder viel Frucht, die Holzseite ist eher wohltuend dezent gehalten.

Soweit ein durchaus sehr schöner Wein für meinen Geschmack, wenn auch noch etwas zu jung wirkend. Allerdings hätte ich mir für den doch recht amtlichen Preis einen deutlicheren Abstand zum „normalen“ Sfursat aus dem gleichen Hause erhofft. Dennoch immerhin

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 19 von 25

Aber auch diesen Wein habe ich nach 3 Tagen mit Luft nochmal probiert: Bitumen und Rumtopf sind weg, zur Pflaume gesellt sich eine getrocknete Feige, die Holzaromatik wird um 70er Schokolade mit Zimt erweitert. Am Gaumen nun butterweiche Tannine, dennoch eine gewisse, flaumige Adstringenz; die Frucht zieht sich zwar leicht zurück, wobei die Zitrusnoten aber etwas zulegen und ein ganz leichtes, eisenjodidiges Bitterchen mitbringen. Der Abgang zeigt diese kleine Eisenjodid-Kante am schönsten, ansonsten wird die herbe, dichte Frucht mit leichter Holzumrahmung schön zelebriert.

Auch dieser Wein hat durch die Belüftung deutlich gewonnen und den zuvor beklagten, weil zu geringen Abstand zum Normal-Sfursat doch deutlich ausgebaut. Dennoch tun ihm ein paar Jahre im Keller sicher gut, aufgrund des schon recht amtlichen Preises tut sich bei mir nur in der Gesamtwertung was:

Meine Wertung: Nachkauf 2 von 3, Gesamt 21 von 25

Nachtrag nach 6 Tagen mit Luft: Nach knapp einer Woche hatte ich noch eine schöne Menge übrig, und tatsächlich bewegt sich der „5 Stelle“ immer noch nach vorne. Die obige Beschreibung stimmt im Prinzip nach wie vor, allerdings wirkt der Wein nun nochmal deutlich saftiger, geschmeidiger und auch „sortierter“. Das führt für mich auch zu einer höheren Akzeptanz des nicht ganz geringen Preises, das heißt, in der nunmehr erreichten Qualität ist dieser Sfursat nun tatsächlich sein Geld voll und ganz wert.

Meine Wertung: Nachkauf 3 von 3, Gesamt 22 von 25

Epilog:

…gab’s diesmal leider keinen. Das war den Umständen geschuldet, daß wir ein bißchen später angefangen haben, uns zwischen den Weinen wortreich einige Zeit gelassen haben und aufgrund meiner Wohnlage der Drang zur S-Bahn etwas früher einsetzte.

Fazit:

Die „Not-Runde“ war trotz aller Widrigkeiten aus meiner Sicht sehr schön und interessant. Die Qualität der Weine fand ich insgesamt recht ansprechend, auch wenn die beiden Roten ihre wahren Qualitäten erst mit Anlauf preisgegeben haben und die Mittrinker dies nun schwerlich nachvollziehen können. Jüngere Rote Sachen werde ich wohl in Zukunft doch vorher karaffieren und dann wieder in die Flasche zurückfüllen, aber ein Risiko bleibt halt doch bestehen, den Wein nicht in optimaler Kondition ins Glas zu bekommen. Aber: no risk, no fun…

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